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Es war eigentlich klar, daß sich die „politisch korrekte Gesellschaft“ so vehement melden mußte wie jetzt bei dem Eklat um das Kulturfest in Weimar: Die meisten unserer Zeitgenossen, die sich die Welt nach diesem Muster eingerichtet haben, hatten den Sturz der moralischen Hoheit Günter Grass auch als persönliche Niederlage empfunden. In einem Deutschland zu leben, das sich überdies schwarz-rot-gold fühlen kann, ohne gleich in Fehde mit seinen Nachbarn zu stehen, das übersteigt so manchen Horizont und löst das unwohle Gefühl aus, von gestern zu sein.
So nahm es seinen Lauf: Weimar und das ehemalige KZ-Buchenwald sind Hausanschriften des politisch korrekten Gedenkens. Es ist nur traurig, daß man mit Hermann Schäfer einen renommierten Historiker in die Empörungsfalle gelockt hat. Seine Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“, die jetzt auch in Berlin zu sehen ist, hat international Aufsehen erregt und Zuspruch gefunden; der Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte hat nicht zuletzt durch solche Arbeiten einen höheren Stand der Reife erhalten.
Schäfer um die Eröffnungsrede zum Weimarer Kulturfest zu bitten und ihn dann kurzfristig um Konzentration auf „sein Thema“, die neue Erinnerungskultur, zu drängen, das war aber keine Entscheidung, um mutig neue Zeichen zu setzen. Darin hat Schäfer seine Gastgeber überschätzt, ihnen zuviel historisches Gespür zugetraut.
Niemand konnte wirklich überrascht sein, worüber Schäfer sprach – Unmut im Saal wurde laut, als der Festredner einen Satz zu Günter Grass sagte und damit in die offene Wunde faßte. Es war die Inszenierung einer rituellen Empörung in der intellektuellen Provinz Weimar. |
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