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Gegen eine Amnestie in den Parteispendenaffären hat sich Frankreichs Staatspräsident Chirac ausdrücklich bei einem Fernsehinterview Mitte Dezember ausgesprochen. Im Vorfeld der Elysée-Wahl, die in etwas mehr als einem Jahr abgehalten werden soll, gibt es seit einiger Zeit heftige Pressekampagnen an der Seine, wobei das Staatsoberhaupt gefordert wird, sich von den Ermittlungsbehörden als Zeuge bezüglich der Finanzpraktiken der großen Parteien der Fünften Republik vernehmen zu lassen. In seinen Erklärungen bedauerte der Staatschef, von der Presse diffamiert zu werden und griff scharf jene "Schaujustiz" an, die das Klima des öffentlichen Lebens in Frankreich vergifte.
Bei der neuen Affäre, die so sehr die Zeitungen und die politische Klasse beschäftigt, geht es um vermeintliche Geldunterschlagungen bei Verträgen, die das Schulwesen der Pariser Gegend betreffen. Gravierend für Chirac ist es, daß sein ehemaliger Kabinettsdirektor im Pariser Rathaus, Michel Roussin, fünf Tage in Untersuchungshaft hat sitzen müssen.
Nach Aussagen von anderen Verdächtigen in dieser Affäre soll Roussin die Aufsicht über die Verteilung von Schmiergeldern zwischen der gaullistischen "Rassemblement pour la République", der konservativen Partei Républicain und der Sozialistischen Partei, die ihrerseits der kommunistischen Partei ihren Anteil zugewiesen hätte, ausgeübt haben. Von 28 Milliarden Francs, die zwischen 1989 und 1996 von der Pariser Gegend ("Région Ile-de-France") für die Gymnasien ausgegeben wurden, seien 600 Millionen getarnt und gesetzwidrig zu den Hauptparteien gegangen.
Die "Union pour la Démocratie Francaise" des Altpräsidenten Valéry Giscard dEstaing, die angeblich in diesen Skandal nicht verstrickt ist, spricht von "einer moralischen und politischen Krise" der Republik, was sich natürlich auch dadurch erklären läßt, daß ihr Vorsitzender, Francois Bayroug, 2002 für den Elysée-Palast kandidieren will.
Nach einer Meinungsumfrage, die von der Sonntagszeitung "Le Jounal du Dimanche" (unabhängig) veröffentlicht wurde, bezweifelten die meisten Befragten, daß Jacques Chirac als Oberbürgermeister von Paris und Vorsitzender Rassemblement pour la République nichts von den Finanzierungspraktiken seiner eigenen Partei gewußt hätte. In seinem Fernsehinterview wirkte der gegenwärtige Staatschef sehr geschickt und nach Ansicht der meisten Befragten "ausgezeichnet", da er ständig auf die Notwendigkeit verwies, die Justizbehörden ihre Pflicht und Aufgabe machen zu lassen. Er glaube nicht an einen Korruptionspakt innerhalb des Rates der "Ile de France" und äußerte seine Hoffnung, die Justiz werde die ganze Angelegenheit aufklären. Er scheint aber die Franzosen nicht davon überzeugt zu haben, daß die Schatzmeister der großen Parteien die vermeintlich dubiösen Finanzierungspraktiken wirklich nicht hätten erkennen können.
Auf jeden Fall hat es den Anschein, daß das politische Leben in Frankreich von den großen Parteien zur Zeit stark reglementiert und eingeengt wird. So wurden Beigeordnete im Pariser Rathaus, die Unregelmäßigkeiten beim Zuteilen von Bauaufträgen gebrandmarkt hatten, gehindert, sich auf der Liste der RPR bei der Wahl zur Nationalsversammlung und den Regionalwahlen zu bewerben.
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