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Der diesjährige Träger des Kulturpreises für Literatur der Freundeskreis Ostdeutschland, Sem Simkin, hat einen neuen Gedichtband mit dem Titel "Drugoj ja" (Alter ego, "das andere Ich") im Königsberger Bernsteinsage-Verlag herausgegeben. Es ist eine Sammlung eigener Gedichte, in denen er neben den Themen Natur und Seefahrt auch seine dichterische Tätigkeit zum Gegenstand lyrischer Betrachtung werden läßt. In einem Gedicht hat er sich selbst bei der Arbeit an seinem Übersetzungswerk "Du mein einzig Licht" gleichsam über die Schulter geschaut, in dem die Verse Königsberger Autoren wie Agnes Miegel ins Russische übertragen wurden.
In der Gedichtsammlung gibt Simkin zahlreiche Beispiele seines dichterischen Könnens. Er beherrscht neben einfacheren Reimformen auch kompliziertere Genres wie Balladen, Sonette und Hexameter. Dabei kehren die ihn beschäftigenden Themen immer wieder. So malt er in einem Gedicht von sich das Bild des Brückenbauers zwischen dem unter deutscher Souveränität stehenden Vorkriegs- und dem russisch verwalteten Nachkriegs-Königsberg und ruft seine Leser auf, die Brücke zum Kulturaustausch zu eröffnen.
Gleich am Anfang des Buches ist ein Gedicht dem 750. Geburtstag "seiner" Stadt gewidmet. Darin vermischt er Bilder der Vergangenheit (Ruinen, das Fest der langen Wurst, Kant) mit denen der Gegenwart (Kirchen, Parks und Teiche, Sohn Boris, der auf der "Krusenstern" zur See fährt).
Immer wiederkehrende Inhalte seiner Gedichte sind ostdeutsche Orte wie Cranz und Nidden, ebenso wie die in ihm schlummernden Gegensätze, die sich zu einem Ganzen zusammenfügen: Seefahrer und Dichter, Brückenbauer zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Bindeglied völlig unterschiedlicher Kulturen. In seinem "Sonett von den drei Köpfen" betrachtet er selbstironisch die ihn prägenden jüdischen, deutschen und russischen Wurzeln, die er bildlich die drei Köpfe nennt, die auf seinen Schultern sitzen. Das Gedicht "Alter Ego", eine Auseinandersetzung mit dem widersprüchlichen Ich, gab der Gedichtsammlung schließlich ihren Namen.
Über die Kulturpreisverleihung der Freundeskreis Ostdeutschland berichtet auch die russischsprachige Kaliningradskaja Prawda in einem großformatigen Artikel über Sem Simkin. In großen Lettern ziert sein Porträt die Überschrift "Brückenbauer". In dem Artikel wird positiv über die Preise, die Simkin von der Ernst-Wiechert-Gesellschaft und nun von der Freundeskreis Ostdeutschland für dessen unermüdlichen Einsatz für die Übertragung der Werke deutscher Dichter ins Russische erhalten hat, berichtet.
Die wenigen Tage in Berlin haben auf Simkin einen so tiefen Eindruck hinterlassen, daß er in einem neuen Gedicht seine Gedanken und Gefühle beim Besuch des Holocaust-Museums am Brandenburger Tor niedergeschrieben hat. Vielleicht werden die positiven Erinnerungen an Berlin den Dichter noch dazu anregen, sie in weiteren Versen festzuhalten. Julian Mühlbacher
Sem Simkin: Rührig und von Deutschen wie Russen gelobt |
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