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Die bei der Wende 1990 regierende christlich-liberale Bundesregierung unter Kohl/Genscher war schlecht beraten, als sie das wahrheitswidrige Argument in Umlauf brachte, die Sowjets hätten ihre Zustimmung zur deutschen Einheit von der Zusicherung des Bestandschutzes der Enteignungsmaßnahmen in der SBZ abhängig gemacht. Welches Interesse auch konnte die sowjetisch e Seite am Fortbestehen der Enteignungen haben? Ihr nachvollziehbares Interesse war, daß das wiedervereinigte Deutschland nicht Mitglied der Nato würde. Das war nicht durchzusetzen.
Dagegen war es das fundamentale Interesse der Bundesregierung, das Unrecht der Enteignung fortbestehen zu lassen, weil man mit fremdem Eigentum - nunmehr in Staatsbesitz - einen beträchtlichen Teil der Wiedervereinigungskosten bestreiten wollte. Diese waren besonders exorbitant, weil die Vereinigung hinsichtlich der ökonomischen Dimension miserabel gemanagt wurde. Es sei daran erinnert, daß der äußerst kompetente damalige Bundesbankpräsident Pöhl aus Protest gegen die aberwitzige Währungspolitik - Umtauschkurs DM/Ostmark eins zu eins - seinen Hut nahm.
Mit dem Bestandschutz für die innerdeutschen Enteignungsmaßnahmen hat die Regierung Kohl/Genscher auch den Vertreiberstaaten signalisiert, daß diese hinsichtlich etwaiger Entschädigungsforderungen der Vertriebenen unbesorgt bleiben können. Man selbst gab ein Beispiel, wie damit umzugehen ist. Um auf Nummer sicher zu gehen, verlängerte man den Überleitungsvertrag, der Klagen vor deutschen Gerichten hinsichtlich Entschädigungsforderungen gegenüber den Vertreiberstaaten ausschließt.
Einer der Aktivisten beim damaligen Enteignungsskandal: der heutige CDU-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister und Verhandlungspartner beim innerdeutschen Einigungsvertrag. Heute wird er als möglicher Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt. Wenn Schäuble auch ein hartes Schicksal erlitt, so ist er gleichwohl auf Grund seines Mitwirkens bei der Demontage des Rechtsstaates für das Amt des Bundespräsidenten nicht geeignet. Die CDU wäre gut beraten, ihn aus der Kandidatenriege auszuschließen.
Über Kohl wird die Geschichte einst ein gerechtes Urteil fällen. Ein großer Teil unserer heutigen Misere ist in der 16jährigen Kohl-Ära entstanden. Kohl, nach eigener Einschätzung der Enkel Adenauers, hat eine humorige Empfehlung des Alten zu wörtlich genommen. "Nun seien Sie man nicht so pingelig, meine Herren."
Erika Steinbach |
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