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Wo sind die Juwelen und Perlen der Kronen geblieben?

 
     
 
Vor 300 Jahren, am 18. Januar 1701, krönte sich Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, in Königsberg als Friedrich I. zum ersten König in Preußen. Schon 1699 konstatierte er: "Wan ich die Königliche Dignitet auf meine Brandenburgische Lande nehmen will, so bin ich kein souveräner König sondern ein Lehn König und werde ich deshalb mit dem gantzen Reich zu thun haben, und bekommen. Wan ich aber wegen Preußen die Königlich
e Dignitet annehme, so bin ich Ein independanter König …".

Souverän war sein Herzogtum Preußen, da es einerseits seit dem Friedensvertrag von Oliva 1660 endgültig von der polnischen Oberhoheit befreit war und andererseits außerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation lag und so nicht der Lehensgewalt des Kaisers unterstand. Es gab ihm somit die Möglichkeit, im Wettbewerb mit den beiden anderen Territorialmächten Nord- und Ostdeutschlands, Kurhannover und Kursachsen – August der Starke war 1697 König von Polen geworden –, zumindest gleichzuziehen.

Der erste König in Preußen, so Reinhold Koser in der Einleitung zu Paul Seidels grundlegender Abhandlung über "Die Insignien und Juwelen der preußischen Krone" im Hohenzollern-Jahrbuch von 1913, "hat sich die Krone mit eigner Hand auf das Haupt gesetzt als Symbol seiner Souveränität, zum Zeichen, daß er seine Königswürde keiner menschlichen Gewalt, keiner fremden Verleihung verdanke. ,Nächst Gott‘, sagte damals Leibniz, ,hat der König von Preußen sein Königreich nur der königlichen Vollgewalt und der ihm von Gott verliehenen Weisheit zu danken‘."

Den Ablauf der Krönungsfeierlichkeiten schildert Oberzeremonienmeister Johann von Besser in seiner "Preußischen Krönungs-Geschichte" von 1702/1712 mit der berühmten Kupferstichfolge von Johann Georg Wolffgang. So zeigt der Krönungszug auch die von den Oberräten vorangetragenen Insignien des Königreichs Preußen: Reichssiegel, Reichsapfel, Reichsschwert und Reichsfahne. Dahinter folgen der König, mit der Krone auf dem Haupt und dem Szepter in der Hand, und die Königin mit der Krone, jeweils unter einem prächtigen Baldachin.

Die Kroninsignien von 1701 haben bis auf den Juwelen- und Perlenbesatz der Kronen die Zeitläufe überdauert und sind seit 18. Januar 1995 im Kronkabinett des Schlosses Charlottenburg in Berlin ausgestellt: die beiden Krongestelle, das Szepter, der Reichsapfel, das Reichssiegel und das Reichsschwert. Die ursprünglich im Berliner Schloß verwahrten Insignien wurden nach dem Sturz der Monarchie 1918 im Hohenzollern-Museum in Schloß Monbijou, wo man das Kronkabinett Friedrichs I. im Berliner Schloß nachgebildet hatte, aufbewahrt. Hier sind die nunmehrigen Museumsstücke erstmals im "Führer durch das Museum Schloß Monbijou" von 1927 verzeichnet und abgebildet. Direktor Arnold Hildebrand merkt auch in der zweiten Auflage von 1930 an, daß diese "bedeutendsten neu hinzugekommenen Einzelstücke … durch den Auseinandersetzungs-Vertrag Staatsbesitz geworden, bzw. vom vormaligen Königshause als Leihgaben zur Ausstellung nach Monbijou gegeben" worden sind.

Nach Tilo Eggeling "Königsschlösser – Museumsschlösser. Entstehung, Geschichte und Konzeption der preußischen Schlösserverwaltung" (1998) gingen durch das "Gesetz über die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Preußischen Staate und den Mitgliedern des vormals regierenden Preußischen Königshauses" vom 29. Oktober 1926 die Kroninsignien, die das "Königshaus bereits früher den Staatlichen Museen leihweise überlassen hatte, in den Besitz des Staates über, während die Kronjuwelen dem Königshause verblieben." Im Katalog der Ausstellung "Sophie Charlotte und ihr Schloß. Ein Musenhof des Barock in Brandenburg-Preußen" von 2000 und im "Preußen JahrBuch – Ein Almanach" (2000) heißt es aber zu Krone, Szepter und Reichsapfel: Eigentum des Hauses Hohenzollern, Nachlaß Seiner Königlichen Hoheit Dr. Louis Ferdinand Prinz von Preußen, ehemals Hohenzollern-Museum Schloß Monbijou. Doch handelt es sich offensichtlich beim Szepter und Reichsapfel um Staatsbesitz und wohl bei den beiden Krongestellen, sicher aber beim Reichsschwert und Kurschwert, um Leihgaben des 1994 verstorbenen ehemaligen Chefs des Hauses Hohenzollern beziehungsweise aus dessen Nachlaß. Zudem sollen laut Führer des Hohenzollern-Museums von 1930 die Krongestelle in Monbijou gar "nicht mehr vorhanden" gewesen sein.

Wenn auch diese Widersprüche noch zu klären sind, so verblieb doch im Hohenzollern-Museum der größte Teil der Kroninsignien bis zum Zweiten Weltkrieg, bevor er infolge der ab 1941 allgemein erfolgenden kriegsbedingten "Verlagerung von Kunstschätzen aus den Schlössern der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Preussen" zunächst nach Königsberg ausgelagert wurde. 1944 aber holte man die Kroninsignien nach Berlin zurück und lagerte sie noch im März 1945 in das stillgelegte Salzbergwerk Bernterode bei Leinefelde in Thüringen, eines der Depots der Schlösserverwaltung bis April 1945, aus. Hier wurden sie kurz darauf von den Amerikanern geborgen und wie die übrigen Bestände über den Zwischenlagerungsort Marburg in den sogenannten "Central Art Collecting Point" überführt, den die Amerikaner als Zentralsammelpunkt für alle ihnen in die Hände gefallenen ausgelagerten Kulturschätze des Deutschen Reiches im Wiesbadener Schloß eingerichtet hatten. Später wurde der gesamte Bestand dieses Kulturgutlagers in die Treuhandverwaltung des Landes Hessen übertragen. Erst 1957, nachdem das "Gesetz zur Errichtung einer ,Stiftung Preußischer Kulturbesitz’ und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung" vom Deutschen Bundestag am 25. Juli 1957 beschlossen worden war, gelangten die Insignien nach Berlin zurück – in die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten mit Dienstsitz im Schloß Charlottenburg, die 1948 in Westberlin gegründet worden war.

Von den Kronen des Königs und der Königin sind nur die als "Karkassen" bezeichneten massiv goldenen Krongestelle mit dem blau emaillierten und von Goldbändern umfangenen Reichsapfel mit Kreuz erhalten, die um 1700 von einem unbekannten Berliner Goldschmied geschaffen wurden. Die Edelsteine und Perlen befestigte man für den Gebrauch mit Draht an den Gestellen, damit sie für andere Zwecke verwendet werden konnten. Über die Anfertigung der für 1701 neu geschaffenen Insignien – Kronen, Szepter und Reichsapfel – sind keine Archivalien und sonstigen Nachrichten erhalten. Das ursprüngliche Aussehen der Krone Friedrichs I. ist aber durch einen Stich des Amsterdamer Kupferstechers Pieter Schenk von 1703 im Geheimen Staatsarchiv Berlin überliefert. Johann von Besser beschreibt sie 1712: "Die Krone war gleich dem Zepter von purem Golde / aber nicht / wie gewöhnlich / mit Laub=Wercke; sondern von lauter dicht aneinander gefügten Diamanten: Die auf den geschlossenen Bügeln und dem gantzen Umbkreise / wie aus einem Stück zusammen gegossen / und nicht anders / dann durch den Unterscheid ihrer Größe getheilet zu seyn schienen; da einige zu achtzig / neuntzig und hundert Grain / ja einige Brillanten gar zu hundert und dreyßig / an Gewicht hielten / und folgends auch mit unterschiedenem Feuer in das Gesichte fielen." Im Nachlaßinventar Friedrichs I. von 1713 werden für die Krone des Königs 153 Facettsteine (Diamanten), Brillanten, zwei Dicksteine, acht Birnperlen und für die Krone der Königin 147 Facettsteine, 25 Brillanten, acht Birnperlen und 83 runde Perlen genannt. Friedrich II. ließ 1741 zu Beginn der Schlesischen Kriege die Steine und Perlen der Kronen abnehmen und übergab sie für alle Fälle seiner Gemahlin Elisabeth Christine nicht nur zur Aufbewahrung, sondern auch zu freier Verwendung. 1786, zur Ausstattung für die feierliche Aufbahrung – das "Castrum doloris" – Friedrichs des Großen, stellte die Königin-Witwe alle Steine für das Krongestell zur Verfügung. In ihrem Schloß Schönhausen bei Berlin montierte der Juwelier Scherer unter Hinzuziehung des Juweliers Boudesson die Edelsteine und Perlen der Krone des Königs mit Hilfe der Königin, die selbst die Brillanten dazu aussuchte.

Der reiche und kostbare Juwelen- und Perlenbesatz soll laut Katalog der großen Berliner Preußen-Ausstellung "Preußen. Versuch einer Bilanz" von 1981 "verschollen" sein: "Die Juwelen sind Ende des 18. Jh. zum letztenmal erwähnt und gelten seitdem als verloren." Dies trifft jedoch nicht zu. Bei der Flucht des Hofes nach Ostdeutschland im Jahre 1806 wurde der Krontresor – bis zu diesem Zeitpunkt zugleich der Staatsschatz – mit auch den Kroninsignien und Juwelen nach dort verbracht. Wegen der Not des Vaterlandes und der ungeheuren Anforderungen an die Finanzkräfte des Staates beabsichtigte König Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1809 auch die Kronjuwelen (nicht aber die von Königin Luise zurückgehaltenen Perlen des Krontresors) zu verkaufen und nur der Umstand, daß ihr Wert in diesen Notzeiten auf etwa ein Viertel des früher geschätzten gefallen war, hat den Verkauf verhindert. Außer den eigentlichen, von Königsberg nach Berlin gesandten Kronjuwelen, die auch die Steine der königlichen Kronen umfaßten, wurden in Königsberg unter anderem die Gestelle der Kronen, das Szepter und der Reichsapfel zurückbehalten. Für die Krönung Wilhelm I. und seiner Gemahlin am 18. Oktober 1861 in der Königsberger Schloßkirche wurden die Krongestelle vom Hofjuwelier Georg Humbert durch zwei neue aus vergoldetem Silberblech ersetzt und mit den Diamanten der Kronen von 1701 besetzt. 1888/89 schließlich ließ Wilhelm II. von Emil Doepler d. J. unter Benutzung alter Darstellungen der Krone Friedrichs I. und unter Verwendung der auch nach 1861 wieder aus den Karkassen entfernten Diamanten eine neue Krone entwerfen und vom Hofjuwelier Hugo Schaper ausführen. Zudem verfügte er, daß der Juwelenbesatz künftig nicht mehr abgenommen und zu anderweitiger Benutzung gegeben werden sollte. Diese Hauskrone mit insgesamt 142 Diamantrosen, 18 Brillanten, acht Dicksteinen, acht Birnperlen und zwei Saphiren wurde nach dem Sturz der Monarchie zu Ende des Ersten Weltkrieges im Krontresor verwahrt.

Während die Krongestelle von 1861, die "sich nach Auskunft von Prof. Hildebrandt bis zum zweiten Weltkrieg im Vorrat des Hohenzollernmuseums in Schloß Monbijou in Berlin" befanden, "durch die Kriegsereignisse verschollen" sind, so Heinz Biehn in "Die Kronen Europas und ihre Schicksale" (1957), hat die Krone Wilhelms II. überdauert. Sie wurde 1945 "zusammen mit anderen Juwelen des Hauses Hohenzollern in einer westfälischen Dorfkirche bei Minden geborgen" und gelangte "über das Kunstgutlager der englischen Besatzungsmacht in Celle im Jahre 1948 auf den Stammsitz des Geschlechtes, die Hohenzollernburg bei Hechingen" in Baden-Württemberg, wo sie sich noch heute befindet.

Erhalten aber ist bis heute der originale Edelsteinbesatz am goldenen Szepter und Reichsapfel. "Der Zepter war", so der Verfasser der Krönungsgeschichte, "Gold / über und über mit Diamanten und Rubinen / und oben an der Spitze / worauf ein aufgereckter Adler sich ausgebreitet / noch mit zweyen ungemein grossen Rubinen gezieret …". Für das Szepter wurde ein bereits existierendes, aufwendig mit weißem und blauem Email gearbeitetes und reich mit Edelsteinen verziertes kurfürstliches Szepter verwandt. Es wurde durch Hinzufügung des preußischen Adlers, der in allen Landesteilen das einigende Herrschaftssymbol war, in ein königliches Szepter umgestaltet. Den Leib des Adlers bildet ein großer Rubin, den Peter der Große 1697 dem Kurfürsten bei einem Besuch in Königsberg geschenkt hat. Die Schwingen des Adlers sind mit großen Diamanten besetzt, das Verbindungsglied zum alten Szepter bildet ein zweiter roter Rubin. Der Reichsapfel wurde 1700 in Analogie zu den Kronen "Himmelblau emailliret / und mit Diamanten und Rubinen / als wie der Zepter versetzt", nämlich mit 50 Diamanten sowie 36 Rubinen und Granaten.

Die Kroninsignien von 1701 werden vom 6. Mai bis 5. August 2001 auch in der gemeinsamen Landesausstellung von Berlin und Brandenburg mit dem Titel "Preußen 1701 – Eine europäische Geschichte" in der Orangerie des Schlosses Charlottenburg zu sehen sein. Hier wird dann auch als Leihgabe des Hauses Hohenzollern die auf der württembergischen Stammburg der Hohenzollern verwahrte Krone Wilhelms II. von 1889, die letzte preußische Königskrone, mit zumindest einem Teil des wiederverwendeten Juwelen- und Perlenschmucks der ersten preußischen Königskrone zu bestaunen sein.

 
     
     
 
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