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Im Volksmund hat sich gegenüber Europa und seinen Institutionen ein bestimmter Eindruck verfestigt: Die Deutschen zahlen am meisten, haben aber in Brüssel nichts oder nur wenig zu sagen. Eine Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung bestätigt diesen Eindruck. Die Chemnitzer Politik-Wissenschaftler Beate Neuss und Wolfram Hilz untersuchten die National
itäten von 6600 Brüsseler Spitzenbeamten des "höheren Dienstes". Ihr Ergebnis: Der Anteil der Deutschen beträgt gerade 12,71 Prozent.

Zur Finanzierung der Europäischen Union hat die Bundesrepublik jedoch viel mehr beizutragen: So beträgt der deutsche Anteil am EU-Haushalt rund 28 Prozent, von allen Nettobeitragszahlungen sogar rund 60 Prozent. Auch wer den Bevölkerungsanteil als Meßlatte anlegt, kommt zum Ergebnis einer deutschen Benachteiligung: 22 Prozent der EU-Bürger sind Deutsche. Der Anteil der deutschen Beamten in EU-Diensten müßte demnach, sollte das Land repräsentativ vertreten sein, zwischen 20 und 28 Prozent liegen. Andere Länder sind besser vertreten: Frankreich stellt 15,35 Prozent aller EU-Beamten, und selbst der Anteil der Italiener beträgt noch 13,12 Prozent.

Doch eine Änderung ist selbst auf längere Sicht nicht zu erwarten. Die Wissenschaftler untersuchten auch die Zusammensetzung der Bewerber für europäische Beamtenpositionen. Die Nationalitäten im aktuell laufenden Bewerbungsverfahren sehen Italiener mit 29,2 Prozent an der Spitze, gefolgt von 14 Prozent Spaniern und 11,9 Prozent Franzosen. Die Deutschen liegen mit 9,2 Prozent weit hinten.

Die Gründe sind einfach: Das Auswahlverfahren für den Brüsseler Beamtenapparat folgt dem französischen Vorbild. Danach reicht es nicht, ein Examen an der Universität erfolgreich bestanden zu haben. Für eine Bewerbung in Brüssel und das Prüfungsverfahren (Concours) sind umfangreiche Studien in Eigenregie erforderlich. Selbst eine erfolgreich bestandene Prüfung garantiert noch keine Einstellung. Unausgesprochen bleibt in der Studie ein Verdacht, der unter deutschen Europa-Politikern schon länger geäußert wird: Ohne Beziehungen läuft bei Einstellungen wenig, und mögen die Zeugnisse auch noch so gut sein.

Für deutsche Bewerber kommen weitere Hindernisse hinzu. Der Dienst in Brüssel ist praktisch eine Einbahnstraße. Rückkehrmöglichkeiten in den deutschen öffentlichen Dienst bringen dort keine Vorteile, sondern führen eher zu Einstufungsproblemen. Dagegen gibt es in Frankreich ein regelrechtes Rotationsprinzip: Beamte aus Ministerien werden geradezu ermutigt, für einige Jahre nach Brüssel zu gehen. Wollen sie dort dann wieder weg, ist ihnen in Paris ein besserer Job als vorher bereits sicher.

Den Deutschen in Brüssel ist die Pflege von Beziehungen eher fremd. Oft genug wird sie sogar als Hindernis für den europäischen Integrationsprozeß empfunden. Abgeordete haben sich immer gewundert, daß deutsche Beamte ihre Besprechungen nicht einmal in der Muttersprache, sondern auf englisch oder französisch führen. Fast deprimierend fällt der Kommentar des Vorsitzenden der Adenauer-Stiftung, Günter Rinsche, aus. Rinsche war früher selbst Mitglied des Europäischen Parlaments: "Die Deutschen haben die Welt im Kopf, aber nicht den Kopf in der Welt."

Andere Länder sind, wenn es um die Verteilung der Brüsseler Milliarden geht, viel weiter. So ist es geradezu als ein alarmierendes Zeichen zu werten, daß in besonders wichtigen EU-Generaldirektionen, etwa Umwelt und Verkehr, die Zahl der aus Deutschland stammenden Beamten außergewöhnlich gering ist. Auch in den Stellen, wo es um die Verteilung von Milliarden-Subventionen geht, sind Franzosen und Südeuropäer weitestgehend unter sich.

Wie das System im einzelnen funktioniert, schildern EU-Kenner: So werden Brüsseler Planungen zunächst in den Beamten-Hauptsprachen Englisch und Französisch verfaßt. Die betroffenen nationalen Regierungsstellen werden von den aus dem Lande stammenden EU-Beamten direkt und schnellstens informiert. In vielen Fällen läuft es auch umgekehrt. Ein Land äußert gegenüber den eigenen Beamten diskret in Brüssel einen Wunsch. Der Beamtenapparat macht sich unverzüglich daran, eine Richtlinie zu entwerfen oder einen neuen Fördertopf aufzubauen.

Hartmut Nassauer, Parlamentarier in Brüssel, gibt die Nachteile offen zu: "Die operative Europapolitik in den wichtigen Bereichen Binnenmarkt, Währung, Finanzen und Steuern findet ohne die Deutschen statt."

 
     
     
 
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