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Fritz Goergen ist ein Name, der den wenigsten Zeitgenossen etwas sagt. Der hingegen, für den er seinen letzten erfolgreichen Wahlkampf organisiert hat, ist da schon bekannter: Jürgen W. Möllemann.
Im Herbst 2004 hat Fritz Goergen auf einer Pressekonferenz in Berlin sein lang erwartetes Buch "Skandal FDP" vorgestellt, das bereits im Vorfeld viel Aufsehen erregt hat. Sogar der Spiegel sah sich veranlaßt, das Buch zu kritisieren, bevor es überhaupt erschien war. Goergens These: Die FDP hat keine Funktion mehr, und sie verfügt auch nicht über ein emotionales Thema. Sie werde vielleicht noch eine Weile weiterexistieren - gebraucht werde sie hingegen nicht mehr.
Die Furcht vor Enthüllungen muß sehr groß gewesen sein, denn schließlich hat der Mann rund 30 Jahre in der Nähe der politisch Mächtigen als Geschäftsführer, Büroleiter und Chef der Friedrich-Naumann-Stiftung gewirkt. Scheel, Genscher, Lambsdorf - er hat sie alle kommen und gehen sehen. Tatsächlich macht er Vorgänge öffentlich, die ein bezeichnendes Licht auf Parteien, den Einfluß des Geldes und nicht stattfindende innerparteiliche Demokratie wirft. Vor allem über die Macht des Geldes erfährt man viel. Graf Lambsdorf wird als derjenige namhaft gemacht, der den Liberalismus auf den "Markt" reduziert hat. Er war es, der nach der Entmachtung der Nationalliberalen Ende der 60er Jahre mit der Bonner Wende, die keine geistig moralische Wende war, wie Goergen beklagt, sondern nur ein Regierungswechsel, auch den anderen inhaltlich agierenden Flügel aus der Partei drängte. In der Lambsdorfpartei war nur noch Platz für "die Wirtschaft". So wurde sie zur Partei der Besserverdienenden.
Die stärksten Teile des Buches sind die drei ersten Kapitel, in denen er die aktuelle Situation der FDP, seinen NRW-Wahlkampf für Jürgen W. Möllemann und die beiden (feindlichen) "Brüder" Möllemann und Westerwelle schildert. Beide hätten nur zusammen die Chance gehabt, die Partei zu erneuern und dorthin zu führen, wo sie nach Auffassung von Goergen hingehört: auf die Augenhöhe zu den beiden anderen großen Parteien. Daher das Projekt 18, das letztlich Goergens Erfindung gewesen ist.
Professionell und gekonnt hat Goergen 1999/2000 die "political correctness" benutzt, um den Kandidaten Möllemann populär zu machen. Innerhalb kürzester Zeit lag die FDP statt der zunächst prognostizierten drei Prozent beim doppelten Wert. Schließlich schaffte Möllemann mit seiner FDP sogar mit 9,8 Prozent den Einzug in den Düsseldorfer Landtag. Im Frühjahr 2002 denunzierte die linksliberale Zeit Goergen als "Der Anstifter". Goergen mußte sich mit der Wochenzeitung juristisch auseinandersetzen. "Das deutsche Presserecht begünstigt die Medienseite ..." und weiter: " Ich hatte ja schon einiges erlebt im Umgang mit denen, die der gründlichen Recherche und anderen hehren Prinzipien verpflichtet sein sollen. Aber in meinem ganzen Leben hatte mich noch nie jemand als Antisemiten gebrandmarkt. Ich bin von Natur nicht nachtragend. Aber das verzeihe ich der Dame nie."
Seine Analyse über den Zustand der FDP ohne Funktion und Emotion ist sicherlich zutreffend. Allerdings war Goergen in der Schlußphase mit daran beteiligt, der FDP Ende der 60er Jahre ihre Emotionen zu rauben. Der "Wirtschaftsliberalismus" hat auch die Freisinnigen in der Partei kalt gestellt - genau wie 1968 Erich Mende oder 1998 Alexander von Stahl. Dennoch zieht Goergen sein Fazit: " Diese Partei hat keine Seele" - und niemanden, der sie aus ihrer Sackgasse führen wird. Er prophezeit 2006 ein Scheitern der beiden bürgerlichen Parteien - genau wie 2002.
Von den vielen Details ist es schwer das interessanteste herauszufiltern - vielleicht dieses: Als Günter Verheugen 1978 zum Generalsekretär mit 201 von 400 Stimmen gewählt wurde, hatte die Zählkommission des Bundesparteitages "nachgeholfen". In den 10er Päck-chen der Verheugenstimmen befanden sich manchmal nur acht Zettel. Daher kommt vielleicht die "aristokratische" Auffassung von Demokratie, die sich in Verheugens Aufnahmeempfehlung für die Türkei in die EU widerspiegelt, obwohl die große Mehrheit der Bevölkerung genau das nicht will. Wer einmal erfahren hat, daß man auch gegen den erklärten Willen des Wahlvolkes etwas bekommt, der gewöhnt sich eben daran. Klaus Gröbig
Fritz Goergen: "Skandal FDP - Selbstdarsteller und Geschäftemacher zerstören eine politische Idee", Brunomedia, Bonn 2004, 288 Seiten, 19,80 Euro
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