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Ohne alle Schlagworte

 
     
 
Agnes Miegels bekanntestes Gedicht war "Die Frauen von Nidden", noch vor zwei, drei Jahrzehnten kannte es fast jedes Schulkind in der Bundesrepublik, und seine Schöpferin war zumindest als bedeutende Balladendichterin in allen Schulbüchern präsent.

Das ist heute anders, Agnes Miegel geriet mehr und mehr in Vergessenheit, unter dem Namen "Mutter Ostdeutschland" wurde sie weithin als reine Heimatdichterin abgetan, selbst die Germanistik
schenkte ihr kaum noch Beachtung. Von der breiten Fächerung des Gesamtwerkes der Stimme Ostdeutschlands, zu dem nicht nur Balladen und Lyrisches, sondern auch Erzählendes gehörte, ist einer größeren Öffentlichkeit kaum noch etwas bekannt. Das zu ändern hat sich Marianne Kopp mit ihrem passend zum 125. Geburtstag der Dichterim im Husum Verlag erschienenen Buch "Agnes Miegel. Leben und Werk" zum Ziel gesetzt. Die Augsburger Germanistin und Vorsitzende der Agnes-Miegel-Gesellschaft kann derzeit als die deutsche Agnes-Miegel-Expertin gelten, schon ihre Dissertation befaßte sich mit der ostdeutschen Dichterin.

Die Idee zu diesem Band entsprang aus der vielfältigen Vortragstätigkeit der Autorin, die immer öfter die Anregung hörte, ihre Arbeiten doch größeren Kreisen in einem Buch vorzustellen. Entstanden ist weit mehr als eine Sammlung von Aufsätzen und Einzeluntersuchungen, sondern ein Buch aus einem Guß.

Eine umfassende Würdigung des Werkes verspricht der Husum Verlag in seiner Ankündigung, und tatsächlich gelingt es Marianne Kopp, ein Bild der Dichterin zu entwerfen, das jenseits aller Schlagworte wie Nazidichterin, aber auch über allen Kategorisierungen wie Heimatdichterin oder Balladendichterin steht.

Dabei verläßt die Autorin in ihrer Darstellung das Format einer reinen Biographie und stellt das Werk Agnes Miegels in thematischen Kapiteln unter ganz anderen als den bisher üblichen, an der Chronologie des Schaffens ausgerichteten Gesichtspunkten dar. Gerade dieser Ansatz bringt dem Leser das Gesamtwerk der Dichterin auf ganz neue Weise nahe und erschließt auch dem Miegel-Kenner bisher nicht Gekanntes aus Leben und Werk der Dichterin.

Fast beiläufig gelingt Marianne Kopp gerade in den Themenkapiteln der Nachweis, daß Agnes Miegel sich keineswegs nur mit ostdeutschen Themen befaßte, sondern ihre Motive vielfach in ganz anderen Bereichen fand. Der Bogen reichte von der Antike bis hin zu Stoffen aus dem Orient, wie sie in einigen Märchen vorkommen. Immer wieder führt die Autorin auch vordergründig rein ostdeutsche Themen Agnes Miegels zu den ihnen zugrunde liegenden klassischen Motiven zurück wie im Kapitel über die Webkunst. Dabei gelingt es der Literaturwissenschaftlerin Marianne Kopp ganz nebenbei, dem Leser einen Blick auf Symbole und Motive zu erschließen, die nicht nur bei Agnes Miegel, sondern in der gesamten Literatur immer wieder in vielfältigen Abwandlungen verwandt wurden.

Fast zwangsläufig gelangt der Leser des Buches "Agnes Miegel. Leben und Werk" zu großem Respekt vor dem erstaunlichen, fast ausschließlich selbst angeeigneten Wissen der Dichterin und Poetin. Die Palette ihrer Kenntnisse reicht von der antiken Mythologie bis hin zu umfassenden Wissen über Geschichte, Kultur und Geographie ihrer Heimat, so daß sie als wandelnde ostdeutsche Enzyklopädie galt.

Wer dieses obendrein fesselnd geschriebene Buch liest, erfährt also viel über Ostdeutschlands große Dichterin und wird auf Agnes Miegel neugierig werden. Marianne Kopps Verdienst ist es, den Leser anzuregen, sich Agnes Miegels Werk auf neuen Wegen mit neuen Sichtweisen zu erschließen.

Marianne Kopp: "Agnes Miegel. Leben und Werk", Husum Verlag, Husum 2004, zahlr. Abb., broschiert, 128 Seiten, 6,95 Euro

 
     
     
 
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