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Der Schmuggel opiumhaltiger Drogen aus Afghanistan hinaus hat nach dem Sturz des Taliban-Regimes spürbar zugenommen. 2003 soll der Ernteertrag von Rohopium nach Meinung von Experten trotz der Präsenz der internationalen Truppen im Land bei etwa 3500 Tonnen gelegen haben, neuere Schätzungen gehen sogar von bis zu 5000 Tonnen aus.
Parallel zu der enormen Steigerung der Opiumproduktion haben sich die Transportwege in Richtung Westen aufgefächert. Die einst vorherrschende Südroute über den Iran, die Türkei und durch den Balkan wird mehr und mehr durch andere Wege abgelöst. So meldete die russische Nachrichtenagentur "RIA Nowosti" vergangene Woche, daß ungefähr drei Viertel aller afghanischen Drogen durch zentralasiatische Staaten nach Rußland und von dort aus nach Westeuropa geschleust würden. Ein Großteil des in Europa kursierenden Heroins stammt nach Meinung von Fachleuten aus der afghanischen Quelle.
Aber auch "Drogen-Transitstaaten" wie Usbekistan und Tadschikistan sind mit deutlich vermehrter Drogensucht konfrontiert. In Tadschikistan haben der Bürgerkrieg und die Invasion Afghanistans zu einem rasanten Anstieg der Rauschgiftkriminalität geführt. Lange Strecken der afghanisch-tadschikischen Grenze führen durch zerklüftetes und schwer begehbares Bergland, was sich Schmugglerbanden zunutze machen. Immer wieder wird die Frage gestellt, warum trotz der internationalen Truppenpräsenz in Afghanistan keine zählbaren Ergebnisse bei der Eindämmung der Rauschgiftschwemme zu vermelden sind. Dies gilt um so mehr, weil es Hinweise darauf gibt, daß von den Erlösen dieses Handels nicht nur die organisierte Kriminalität profitiert, sondern möglicherweise auch islamistische Terrorbanden. Die Antwort auf diese Frage fällt Kennern der Region relativ einfach: Der Einfluß und die Macht der afghanischen Regierung beschränkt sich mehr oder weniger auf den Großraum Kabul. Darüber hinaus gibt es nur noch die Kontrollstützpunkte der internationalen Truppen. Dazu kommt weiter, daß die in Afghanistan stationierten deutschen Truppen angewiesen worden sind, sich von dem Drogenproblem fernzuhalten und Opiumfelder zu "ignorieren".
Hohe Gewinnspannen machen den Anbau für die Bauern äußerst lukrativ - Erlöse, die auf normalem Wege nicht einmal annähernd erzielt werden können. Bis zu 4000 US-Dollar pro Jahr können afghanische Opiumbauern verdienen. Das ist zwar nur eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, was Händler, Schmuggler, korrupte Beamte, die örtlichen Warlords und später die organisierte Kriminalität an Gewinnen abgreifen. Doch deutlich mehr als das, was die Bauern mit gewöhnlicher Landwirtschaft erzielen können.
Die organisierte Kriminalität gewinnt, auch in den Staaten der GUS, immer mehr an Professionalität. Laut Tamara Makarenko, einer russischen Kriminologin, die an der englischen Universität Glamorgan lehrt, lassen sich die Akteure der zentralasiatischen Drogenhändlerszene in drei Gruppen unterteilen: die vor Ort aktive Drogenmafia, die Organisationen mit transnational ausgerichteter Kriminalität und schließlich terroristische Netzwerke.
Als gefährlichste Netzwerke hat Makarenko eine Gruppe aus afghanischen, russischen und kirgisischen Syndikaten ausgemacht, die Rohopium durch Zentralasien über die Türkei zum Verkauf nach Europa schmuggelt. Kaukasische Netzwerke kontrollieren dem Vernehmen nach vor allem den Drogenmarkt in Rußland.
Als Zwischenstation wird laut Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP-Studie 47/2004) der Kaukasus zunehmend wichtiger. Die Gegend biete einen "idealen Transitraum für Drogen und andere Kontrabande".
Höchste Gewinnspannen: Afghanischer Soldat patroulliert vor einem Mohnfeld. |
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