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Klaus Wowereit, der alte und neue Regierende Bürgermeister, führt ein Leben mit allem Komfort, und wenn es sein muß, dann läßt er verlieren. Der Unmut an der rot-roten Koalition in Berlin hat sich punktgenau über der PDS-Linkspartei entladen, die SPD kam ohne Schrammen in die nächste Legislaturperiode. Der "Wowi-Faktor" ist eine Art Mobilitätsgarantie für die Sozialdemokraten in der von allerlei Gesellschaftsströmung en bewegten Hauptstadt.
Aber das Wahlergebnis ist schön gerechnet: Bei dem Negativrekord an Wahlbeteiligung von nur noch 58 Prozent kann man kaum noch von einer repräsentativ-demokratischen Abstimmung sprechen. Werden die Prozentwerte aus den abgegebenen Stimmen auf die Gesamtzahl der Wahlberechtigten relativiert, wie es die Wahlforscher neuerdings machen, dann blicken die Parteien in den Abgrund: 17,9 stehen zur SPD, 12,4 Prozent zur CDU. Legt man die erstaunlich hohe Stimmabgabe für "Sonstige Parteien" - von den bemerkenswert erfolgreichen Grauen (3,8 Prozent) bis zur Bergpartei ("Politik mit Spaß") - als Verweigerung gegenüber den Etablierten aus, dann haben die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien gerade noch 50 Prozent der Bürger hinter sich.
Aber mehr als ein gespieltes Erschrecken wegen des Bürgermißtrauens war in der Wahlnacht nicht zu spüren - die SPD konstruiert sich lieber die neue Regierungsmehrheit. Dabei will der Regierende kein Unmensch sein: Wowereit wird nach seinem Erfolg bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus den möglichen Koalitionspartnern - den Grünen und der PDS-Linkspartei - genug Zeit lassen, sich von allen sperrigen Lieblingsforderungen und -projekten zu verabschieden.
Der bisherige Koalitionspartner PDS-Linkspartei hat gerade in den SED-Stammbezirken im Osten Berlins so an Einfluß verloren, daß seine weitere Regierungsbeteiligung im Roten Rathaus schon einem Gnadenakt gleichkäme, sie bringen gerade noch 13,4 Prozent der Stimmen (2002: 22,6 Prozent) in die Koalitionsrechnung ein. Für weitreichende Forderungen hat die Partei nicht genug Kraft. Nicht einmal das ungeliebte Amt des Wirtschaftssenators, in dem Harald Wolf den gesamten Unmut aus allen Etatkürzungen auf sich zog, könnten sie gegen risikolosere Aufgaben eintauschen.
Die Berliner Grünen wollten, daß "Wowereit nicht an ihnen vorbeikommt". Sie haben zwar einen Luftsprung gemacht und sind bei 13,1 Prozent (2002: 9,1 Prozent) gelandet, werden aber von der PDS im Wettlauf um Minimalforderungen an den Koalitionspartner noch unterboten werden. Ihr größter Nachteil ist aber - die Grünen haben kaum regierungsfähiges Personal. Mit Renate Künast und Christian Ströbele, vielleicht noch dem Alt-Sponti und früheren Justizsenator Wolfgang Wieland ist das Ende der Skala von Prominenz und Erfahrung schon erreicht. Zwar meinte Ströbele in der Wahlnacht: "Wir fliegen der SPD nicht bedingungslos in die Arme, und die kann uns dann knautschen wie sie will", aber was bleibt den Grünen sonst übrig. Übrigens: Die Wetten stehen zugunsten der Grünen.
Wer noch auf CDU-Herausforderer Friedbert Pflüger wettet, bleibt offen - ihm hängt das Wahlergebnis von nur noch 21,3 Prozent ein Leben lang nach. Er hatte niemals mit einem Wahlsieg gerechnet, sondern damit, eine Niederlage bestehen zu müssen. Daß es aber so heftig kommen wird, ist eine andere Sache.
Die Berliner CDU hat den Makel aus dem Bankenskandal, der die Stadt ruiniert hatte, noch nicht abstreifen können; der Groll gegen die Unionsspitze um Eberhard Diegpen und Klaus Landowsky sitzt tief. Zum anderen hat bei der wichtigsten Testwahl 2006 der massive Einsatz der Bundespolitiker ebenfalls ins Kontor geschlagen - da wollten die Wähler zwischen CDU-Berlin-Land und CDU-Berlin-Bund keinen Unterschied mehr machen. Jetzt muß Angela Merkel wie versprochen den Schirm über Pflüger halten.
Pflüger hatte vor allem Figur machen sollen, eine bessere als sein Vorgänger Frank Steffel, der nach der Bankenkrise 2002 die Partei bei 23,8 Prozent Wählerstimmen festgemacht hatte. Steffel übrigens hat sich "rehabilitiert": Sein Direktmandat in Reinickendorf 6 haben 42,3 Prozent der Wähler bestätigt - damit gehört er zu den besten Fünf der Berliner CDU.
So gerade noch in den alten Preußischen Landtag hat es Giyasettin Sayan geschafft - 76 Erststimmen Vorsprung retteten ihm das Mandat. Sayan, ein türkischstämmiger Altpolitiker, war bei der Kandidatenkür an der PDS-Basis im Wahlkreis Lichtenberg 5 schon abgeblitzt, als er sich mit Kopfverband und Gehirnerschütterung aus einem Berliner Krankenhaus meldete und vor den Fernsehkameras unter einem "fremdenfeindlichen Überfall" litt.
In der PDS hatte man von Anfang an die Sorge, daß an Sayans Version "Zweifel bleiben werden", wenn die Polizei die Täter nicht fassen sollte. Polizei und Staatsschutz nahmen sich den Tatort Zentimeter für Zentimeter vor, vergeblich. Auch 3000 Euro Belohnung brachten keine Hinweise. Doch vor Abschluß der Ermittlungen hatte die PDS-Spitze Sayan als Bewerber in Lichtenberg 5 - allerdings knapp - durchgedrückt.
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