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Rettungsanker:

 
     
 
Schon Helmut Kohl pflegte sich stets zu wundern: Die Deutschen seien ein Volk, desse Menschen immer länger ausgebildet würden und erst mit 30 ins Berufsleben einstiegen, u mit 60 Jahren schon wieder in Rente zu gehen. Die rotgrüne Regierung, angetreten, nich alles anders, aber vieles besser zu machen, erklärt Kohls Verwunderung zum politische Ziel: Die Rente ab 60 soll allgemein kommen.

Deutschland, das von allen Industrieländern die kürzeste Wochenarbeitszeit, die längsten Berufsausbildung
s- und Studienzeiten und das früheste Renteneintrittsalter hat will also in diesem Bereich seine Spitzenstellung behalten. Schröder kann sich de Zustimmung breitester Wählerschichten sicher sein. Nach Erhebungen des Instituts fü Demoskopie Allensbach befürworten die Bundesbürger in ihrer überwiegenden Mehrheit da frühere Renteneintrittsalter. Selbst bei Hinweisen, daß die Rente ab 60 erheblich Kostenbelastungen für Arbeitgeber und Beitragszahler mit sich bringen würde, sinkt die Quote der Zustimmung nur geringfügig ab. Die "Rente ab 60" könnte zu Rettungsanker der durch Pannenserien und Wahlniederlagen in eine tiefe Existenzkris gerutschte rotgrüne Selbsterfahrungsruppe von Gerhard Schröder werden.

Fakten interessieren den Kanzler und die SPD-Führung nicht mehr, wenn es darum geht einen neuen Wahlkampfschlager zu kreieren. Die Rente ab 60, so das Schlagwort-Argument soll Älteren den Weg in den Ruhestand ermöglichen und damit Stellen für jünger Arbeitslose freimachen. Der Grundirrtum liegt darin, daß die Regierung offenbar de Vorstellung anhängt, in Deutschland gebe es ein festes Arbeitsvolumen, so daß die Unternehmen gezwungen wären, für die in den Ruhestand tretenden Älteren jünger Arbeitnehmer einzustellen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die nur an Kostensenkun denkende Wirtschaft wird die Frühverrentung nutzen, um verstärkt zu rationalisieren.

Auch die Finanzierung des von Sozialminister Walter Riester (SPD) entwickelte Frührentenmodells steht auf tönernen Füßen. Riester schlägt vor, daß die Unternehme 0,5 Prozent der Bruttolöhne an einen neuen Tariffonds abführen, aus dem die Altersbezüge der Frührentner bis zum Einsetzen der gesetzlichen Rente (oder zu Ausgleichen der Rentenabschläge wegen vorgezogenen Rentenbeginns) bezahlt werden. I diesen Topf sollen auch die Arbeitnehmer 0,5 Prozent von ihrem Nettolohn einzahlen. Die Gewerkschaften sollen sich im Gegenzug verpflichten, in den kommenden Jahren au überzogene Lohnforderungen zu verzichten. Wolfgang Franz, Leiter des Zentrums fü Europäische Wirtschaftsforschung: "Die Botschaft höre ich gerne, allein mir fehl der Glaube." Gerade die IG Metall, die das Rente-ab-60-Modell besonders hefti befürwortet, habe sich in der Vergangenheit durch absurde Forderungen wie die Einführun der 30-Stunden-Woche hervorgetan. Diese Gewerkschaft habe "zunächst einmal ihre Kredit verspielt".

Etwas anderes kommt hinzu: Das Grundübel der deutschen Sozialversicherung liegt nich darin, daß die Ausgaben zu hoch sind, sondern daß es an einer ausreichenden Zahl vo Beitragszahlern fehlt. Gerade die Erwerbstätigkeitsquote der 55- bis 64jährigen ist in Deutschland im Vergleich mit anderen Industriestaaten zu niedrig. Und ausgerechnet dies Quote will Rotgrün weiter senken. Nach einer Untersuchung des Instituts der deutsche Wirtschaft waren 1998 nur 39 Prozent der 55- bis 64jährigen noch erwerbstätig. De übergroße Rest war entweder krank, arbeitslos oder bereits in Rente. Im Durchschnitt de OECD-Industriestaaten waren jedoch 68 Prozent der Arbeitsfähigen in diesem Alter noc beschäftigt. In der Schweiz sind es sogar 71 Prozent, in Japan 61 Prozent.

Schröder beschwört oft die Niederlande mit ihrem Bündnis für Arbeit als Vorbil für uns. Den Holländern ist es tatsächlich gelungen, durch eine massive Ausweitung de Teilzeitarbeit die Arbeitslosenquote deutlich zu senken. Aber sie haben noch mehr getan Seit 1991 wurde in den Niederlanden der Zugang zu Arbeitsunfähigkeitsrenten drastisc erschwert. Im Bereich der 55- bis 64jährigen machte sich dies bei der Erwerbstätigkei bemerkbar: Die Quote der Berufstätigen stieg von 22,4 auf immerhin schon 33,3 Prozent un steigt weiter. Schröder befindet sich – wieder einmal – auf dem Holzweg.

 
     
     
 
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