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Generationen von jungen Leseratten haben mit vor Aufregung roten Ohren die Geschichten um den Häuptling der Apachen verschlungen, oft heimlich abends unter der Bettdecke. Und es gab nichts Größeres, als einmal die Festspiele in Bad Segeberg zu besuchen. Später lief ihnen der Kinofilm für einige Zeit den Rang ab. Doch immer waren es Winnetou und sein Freund Old Shatterhand, die das Bild des deutschen Jugendlichen vom Wilden Westen prägten. Erfunden von Karl May, der selbst das Land der Indianer nie gesehen hat. 1893 erschien die erste Ausgabe seiner Winnetou-Trilogie. Bis 1950 wurden über 50 Millionen seiner Bücher verkauft. Wie kein anderer hat der deutsche Schriftsteller, zu dessen Bewunderern auch Kollegen wie Hermann Hesse und Peter Handke gehören, zur deutschen Indianerbegeisterung beigetragen. Der "Lederstrumpf" von James Fenimore Cooper hatte ihm den Weg bereitet. Der Hamburger Tierparkdirektor Carl Hagenbeck zeigte um 1900 Indianer in seinen Völkerschauen, und schließlich sah man sie in den ersten Wildwestfilmen, von denen allein zwischen 1907 und 1914 mehr als 350 in Kalifornien produziert wurden.
Heute begegnet man in Kalifornien Indianern allenfalls in Spielcasinos wie dem in Temecula unweit von Los Angeles. Diese "Spielhölle" mit angegliedertem Hotel und Restaurants, einer Tankstelle und einem Supermarkt gehört den Pechanga vom Stamm der Luiseño. Sie finanzieren damit die Bedürfnisse der Mitglieder ihres Stammes, die im Reservat leben, spenden aber auch an wohltätige Organisationen im Umland. Im Jahr 2005 waren es immerhin mehr als 1,5 Millionen US-Dollar, da tun die rund 50 verspielten Dollar eines Touristen nicht mehr ganz so weh. Von den 562 in den USA anerkannten Indianerstämmen betreiben übrigens 201 mit großem Erfolg Spielcasinos wie das in Temecula. Die Mehrheit aber hat keinen Anteil an dem Erfolg, sie lebt entweder geographisch zu abgelegen oder kann diese Art von Geschäften mit ihrer Tradition nicht vereinbaren.
Die Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt seit Donnerstag eine Ausstellung unter dem Titel "I like America", mit der man den Beweggründen des deutschen Enthusiasmus für den amerikanischen Westen nachgehen will. Mehr als 150 Gemälde, Filme, Zeichnungen, Fotografien sowie Dokumentationsmaterial zeigen, wie das deutsche Publikum von der Kunst beeinflußt wurde. "Weder die amerikanische noch die deutsche Vorstellung haben viel mit der Wirklichkeit gemein", betont Pamela Kort, Kuratorin der Ausstellung. "Die Ausstellung erkundet erstmals umfassend die Beweggründe der andauernden deutschen Begeisterung für den Wilden Westen."
Apropos Winnetou und Bad Segeberg: Nachdem Gojko Mitic, der lange Jahre den edlen Häuptling der Apachen verkörperte, seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte und ein Aufschrei durch die Fangemeinde ging ("Winnetou darf nicht sterben"), hat man nun mit Erol Sander einen würdigen Nachfolger gefunden.
"I like America" in der Schirn Kunsthalle, Römerberg, Frankfurt / Main, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags bis 22 Uhr zu sehen, Eintritt 7 / 5 Euro, bis 7. Januar 2007. |
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