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Ruhe nach dem Sturm

 
     
 
Im hannoverschen Wendland ist wieder Ruhe eingekehrt. Rund 15 000 Polizeibeamte der Bereitschaftspolizeien der Länder und des Bundesgrenzschutzes sind in die Heimatstandorte zurückgekehrt. Das Wendland verlassen haben auch wieder etwa 4000 Demonstranten der Anti-Kernkraftbewegung, die aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren, um den Transport von sechs Castorbehältern mit radioaktivem Abfall in das Zwischenlager Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg zu verhindern bzw. zu verzögern. Die Emotionen der einheimischen Kernkraftgegner sind weitgehend abgeklungen. Lüchow-Dannenberg geht zur Tagesordnung über.

Rund acht Tage dauerte der Aufmarsch der Staatsmacht und der Kernkraftgegner in Lüchow-Dannenberg. Schon vor einem Vierteljahr wurde durch die Bundesregierung der nächste Castortransport für den 28. März angekündigt. Somit verblieb für beide Seiten reichlich Zeit, für den 28. März aufzurüsten.

Am 25. März demonstrierten die Kernkraftgegner Stärke. Auf einer Großdemonstration mit rund 100 000 Teilnehmern in Lüneburg wurde zu massivem Widerstand gegen den Transport aufgerufen. In Lüchow-Dannenberg hatte die bäuerliche Notgemeinschaft gegen Kernkraft zu einer Stunkparade aufgerufen. Während letztere friedlich verlief, konnte auf der Lüneburger Demonstration der militante Kernkraftgegner Jochen Stay – Initiator der Lüchow-Dannenberger Initiative "x-tausendmal quer" – rund 15 Minuten lang nur schwach verklausuliert zur Gewalt aufrufen. Diese Rede Stays veranlaßte die Polizei, ihn am Montag in Gewahrsam zu nehmen, aus dem er erst am Donnerstag nach Beendigung des Transportes entlassen wurde.

Mit Ankunft des Castortransportzuges in Lüneburg am späten Dienstagnachmittag begann das Finale dieses Kernkraftmülltransportes. In Lüneburg ging der Zug auf die veraltete eingleisige Bahnstrecke zum rund 45 Kilometer entfernten
Dannenberg. Die noch bahnmäßig zu bewältigende Strecke ist ein dünnbesiedelter Landstrich, durchsetzt mit zahlreichen Wäldern, für die Anti-Kernkraftbewegung ein ideales Gebiet, um immer wieder durch zahlreiche Vorstöße kurzfristig die Bahntrasse zu blockieren. Es begann ein Katz- und Mausspiel, bei dem die Sicherungskräfte im Nachteil waren, weil die politische Führung ihnen vorgegeben hatte, möglichst nicht unmittelbaren Zwang anzuwenden.

Im Ergebnis benötigte der Zug schließlich rund 26 Stunden, um von Lüneburg nach Dannenberg zu gelangen. Dieser vermeintliche Erfolg der Kernkraftgegner gelang nicht durch friedliche Demonstration, sondern durch schwere Straftaten und spektakuläre Aktionen der sogenannten Umweltschutzorganisationen Greenpeace und Robin Hood, die nicht davor zurückschreckten, Gesundheit und Leben von Menschen massiv zu gefährden.

Am Donnerstag, 29. März, wurde der Schlußakkord dieses Castortransportes gesetzt. Die in der Nacht zu Donnerstag im Verladebahnhof Dannenberg auf Lkw umgeladenen Castorbehälter verließen morgens gegen sieben Uhr die Verladestation, um auf der Straße in das rund 20 Kilometer entfernte Gorleben gebracht zu werden. Die Demonstranten hatten erst gegen zehn Uhr mit der Abfahrt der Lkw gerechnet. Sie waren nicht rechtzeitig von ihren Schlafstellen zum Verladebahnhof und zur Transportstrecke gekommen. Außerdem war ein Korridor entlang der Transportstrecke zur Verbotszone für Demonstrationen von der Bezirksregierung Lüneburg erklärt worden. Zügig und ohne nennenswerte weitere Unterbrechung wurde der Straßentransport in rund 60 Minuten abgewickelt. Äußerst ungünstig für die Demonstranten war am Donnerstag die Witterung. Bei eisigem Wind, Schneeregen und Temperaturen zwischen null und drei Grad war eine volle Präsenz der Kernkraftgegner nicht mehr zu erreichen.

Am Ende stand den militanten und friedlichen Kernkraftgegnern der Frust ins Gesicht geschrieben. Der Atomstaat habe sein brutales Gesicht gezeigt, so die Auffassung vieler. Einige reagierten ihre Frustration ab, indem sie bei mehreren Einsatzfahrzeugen der Polizei die Reifen zerstachen.

Die Kosten für diesen Atommülltransport werden von Experten auf 110 Millionen Mark geschätzt. Der Widerstand im Wendland gibt sich immer noch der Hoffnung hin, daß durch massiven Widerstand gegen die Transporte deren Kosten so hoch getrieben werden können, daß sie politisch nicht mehr vertretbar sind. Erika Steinbach

 
     
     
 
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