|
Die Regierungsverhandlungen nach den Wahlen vom 1. Oktober schleppen sich dahin, und ein Ende ist kaum abzusehen. An manchen Tagen hat man den Eindruck, daß SPÖ und ÖVP bereits Dinge "beschließen", gerade so, als ob die Koalitionsregierung längst im Amt wäre. An anderen Tagen droht ein Abbruch der Gespräche, wobei nicht klar ist, was Theaterdonner und was echte "Entrüstung" ist.
Jede der beiden Parteien weiß, daß man vom Wähler bestraft wird, wenn man am Scheitern der Verhandlungen und somit an vorzeitigen Neuwahlen schuld ist. Selbst die SPÖ, die derzeit eindeutig die besseren Karten hat, kann nicht damit rechnen, daß sich dann als Alternative Rot-Grün ergeben würde. Also verhandelt man weiter. Das heißt im Klartext: Das Land rückt trotz einer nicht-linken Mehrheit nach links, denn die ÖVP scheint ihrer deutschen Schwesterpartei nacheifern zu wollen.
So zeichnet sich ab, daß die ÖVP gegenüber altlinken Forderungen weich wird, etwa bei einem gemeinsamen Vorschuljahr und auch bei der "Gesamtschule" aller Zehn- bis 14jährigen. Daß beides in einem logischen Widerspruch zu der auch von der SPÖ befürworteten Einrichtung von Elite-Universitäten steht, kümmert wenig.
Ein weiteres Kapitel ist die sogenannte "Grundsicherung", die nun sogar Wirtschaftsminister Bartenstein (ÖVP) "in Etappen" für möglich hält. Dem entspricht eine bereits gemeinsam beschlossene Pensionserhöhung, die deutlich über dem liegt, was ursprünglich geplant war - es könnte ja doch Neuwahlen geben, und Pensionisten sind nun einmal die mit Abstand größte Berufsgruppe. Zugleich wird aber ein fragwürdiges Prinzip fortgeschrieben: Höhere Pensionen aus der allgemeinen Sozialversicherung werden nur um einem Fixbetrag erhöht, so daß jene, die mehr an Beiträgen leisteten, relativ immer "ärmer" werden. Ein SPÖ-Hinterbänkler forderte nun sogar einen "Solidarbeitrag", der auf alle Pensionen erhoben werden solle, die über der Höchstpension aus der allgemeinen Versicherung liegen. Doch das hat man bereits parteiintern abgeschmettert, denn es würde auch zahlreiche Mehrfachfunktionäre treffen.
Die diversen bereits als fix geltenden Sozialgeschenke belaufen sich in Summe auf über einen halben Prozentpunkt des Brutto-inlandsprodukts. Dazu kommt wahrscheinlich noch eine teilweise Wiederabschaffung der Studiengebühren. All das bedeutet höhere Staatsverschuldung statt Schuldenabbau, und so macht man sich natürlich entsprechend linke Gedanken zur "Erschließung neuer Finanzierungsquellen". Von drastischer Erhöhung der Grundsteuer ist zu hören, doch müßten die Freigrenzen sehr hoch angesetzt werden, um nicht die eigene Klientel zu vergrämen. Und was bringt es dann? Ähnlich ist es mit einer Einheitssteuer auf "alle" Vermögen. Beides würde primär Wirtschaftstreibende treffen - mit Auswirkung auf die Arbeitslosenrate und zur Kapitalflucht anregen.
Selbst wenn beide Parteien vorgeben, daß es derzeit ausschließlich um "Sachfragen" gehe, hängen natürlich Personalfragen im Raum: Wer kriegt welches Ministerium und wer muß jeweils einen Staatssekretär der anderen Partei als Aufpasser akzeptieren? Und vor allem, was geschieht mit Bundeskanzler Schüssel? Als zweiten Mann in einem Kabinett Gusenbauer kann ihn sich kaum jemand vorstellen. Für den Rückzug ist der 61jährige aber noch zu jung, und ein standesgemäßer Versorgungsposten - etwa in Brüssel oder bei der Weltbank - ist nicht in Aussicht. Oder doch?
Nun, in den hektischen Wochen vor Weihnachten tritt die Politik ohnehin in den Hintergrund, und dann kommen die Weihnachtsferien, und falls doch noch Schnee fällt, kommt die Saison der Ski-Medaillen. - Da stellt sich mancher die Frage: Brauchen wir überhaupt eine Regierung? Denn die meisten Gesetze werden von Brüssel vorgegeben, und Österreich ist ja trotz aller Reformen immer noch ein ordentlich funktionierender Verwaltungsstaat. |
|