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Sachsen-Anhalt: Warum Rot-Rot abgewählt wurde

 
     
 
Die Wähler von Sachsen-Anhalt bleiben sich treu: Seit 1994 ist die Schwankungsbreite von Wahlergebnissen nirgends so groß wie in diesem Bundesland. Damals hatten sie mit 54,8 Prozent Wahlbeteiligung ein bis dahin nicht gekanntes Desinteresse an Landtagswahlen gezeigt, das zugleich das Ende der dortigen CDU-FDP-Koalition bedeutete und die von der PDS tolerierte SPD-Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Reinhard Höppner hervorgebracht hatte. Die FDP war seitdem aus dem Landtag verbannt. Vier Jahre später stieg die Wahlbeteiligung zwar wieder auf 71,5 Prozent an, gleichzeitig wurde die zerstrittene CDU mit nur 22 Prozent Wählerstimmen
(ein erdrutschartiger Verlust von zwölf Prozentpunkten!) gnadenlos abgestraft und zugleich allen demokratischen Parteien mit fast 13 Prozent Stimmenanteil für die rechte Protestclique DVU ein "Denkzettel" verpaßt. Plötzlich hatte die "rechte Gefahr" mit Sachsen-Anhalt einen Namen, das Land erhielt für kurze Zeit die ihm bis dahin versagte Aufmerksamkeit. Dann versank es wieder in seinen sozialistisch PDS-tolerierten Verwaltungstrott und verfestigte seinen Platz als Schlußlicht unter den neuen Bundesländern.

Am vergangenen Sonntag war wieder Abstraf- und Denkzettelwahl. Erneut ging wieder nur gut die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urnen, und diesmal hat es die SPD getroffen und die politische Karriere ihres Tolerierungserfinders und Ministerpräsidenten Reinhard Höppner beendet: Absturz auf gerade eben noch 20,2 Prozent Stimmenanteil, ein Minus von 15 Prozentpunkten (einmalig in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte), und Absacken der SPD hinter Höppners Ziehkind PDS (20,4 Prozent) auf den dritten Platz in der dortigen Parteienlandschaft. Die FDP machte einen Sprung auf 12,8 Prozent, kam nicht nur wieder in den Landtag, sondern wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch sogleich wieder Koalitionspartner in einer neuen Landesregierung unter Führung der CDU. Diese errang mit ihrem Spitzenkandidaten Böhmer 37,4 Prozent (ein Zuwachs von mehr als 15 Prozentpunkten - ebenfalls neuer Rekord!) und wird mit diesem früheren Medizinprofessor wohl auch den nächsten Ministerpräsidenten stellen. Die Schill-Partei würde, auch wenn sie nach Auszählung der Briefwahlstimmen vielleicht doch noch in den Landtag kommen sollte, zur Regierungsbildung ohnehin nicht gebraucht. Konsequenterweise hat ihr Vorstand beschlossen, nicht zur Bundestagswahl anzutreten.

Mit vorschnellen Urteilen, ob diese Landtagswahl denn nun als Testwahl für die Bundestagswahlen am 22. September gewertet werden könnte, sollte man vorsichtig sein. Gewiß sind die Verhältnisse in Sachsen-Anhalt sowohl von denen in den anderen neuen Ländern, aber ganz besonders von denen im alten Bundesgebiet stark zu unterscheiden. Aber sie haben trotzdem jedes Mal einen gewissen Trendcharakter gehabt, weil das Wahlverhalten dort am stärksten von Stimmungen abhängt und Stimmungen spiegelt, die von überregionaler Bedeutung sind. Nimmt man die Magdeburger Niederlage der CDU von 1998, dann kann sie durchaus als negatives Omen für Helmut Kohl und die Union bei der Bundestagswahl gewertet werden. Damals lief schon im Frühjahr der Stimmungstrend gegen den Altkanzler an. Diesmal hat sich das sich seit Wochen aufbauende Stimmungshoch für die Union in Sachsen-Anhalt verstärkt und dadurch eben doch Signalcharakter erhalten.

Nichts hat das deutlicher gemacht als die Auftritte des SPD-Generalsekretärs Müntefering. Indem er von dem Wahldebakel seiner Partei dadurch abzulenken versuchte, daß er nur gegen den Kanzlerkandidaten der Union polemisierte, hat er Edmund Stoiber aufgebaut, wie das keine noch so ausgeklügelte Werbekampagne der Union vermocht hätte. Wer nur ein wenig Sinn für Gesten, Wortwahl, Untertöne und Körpersprache hat, konnte erkennen, daß Stoiber von der SPD-Spitze nicht nur ernstgenommen, sondern als die Gefahr für Schröder schlechthin erkannt wird. Und selbstverständlich ist Müntefering auch bewußt, daß durch die neue Konstellation in Magdeburg nun die Unionsmehrheit im Bundesrat gesichert ist. Schröders restliches Regierungshalbjahr wird schwieriger. Und die rot-roten Regierungen in Berlin und Schwerin geraten noch mehr ins Abseits als jetzt schon, ganz zu schweigen von Plänkeleien und Drohgebärden, es könne vielleicht auch im Bund zu Rot-Rot kommen. Dieses Modell dürfte von der Wählermehrheit eindeutig als überlebt erkannt werden. Und schließlich: Die Grünen erweisen sich immer deutlicher als Auslaufmodell. Gleichzeitig dürfte es wohl keinen Zweifel mehr geben, daß die FDP mit Westerwelle und ihrer sympathisch wirkenden, geschickten und aus dem Osten kommenden Generalsekretärin Pieper wieder Tritt gefaßt hat und ein achtbares Ergebnis bei der Bundestagswahl einfahren wird.

Der Wahlsonntag von Sachsen-Anhalt war ein Doppelsieg von und für Schwarz-Gelb. Er würde für die Union nur dann verschenkt, wenn die CDU nicht mit der FDP koalieren und statt dessen in ein Bündnis mit der am Boden liegenden sachsen-anhaltinischen SPD einginge. Das ist unter dem besonnenen Wolfgang Böhmer nicht zu erwarten. Jetzt liegt alles bei der Mannschaft der Union und ihrem Kandidate
 
     
     
 
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