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Schaurig schön

 
     
 
Unheimliches, ja Grausiges geschieht in Plock, der alten Stadt an der Weichsel, die in diesen Tagen zu Preußen gehört. Ein Leichenkäufer geht um, einer, der Verstorbene in ihrer letzten Ruhe stört. Ist er gar auch ein Mörder? Ein einfaches Mädchen stirbt eines gewaltsames Todes, und ein Silberschürfer kann seinem Schicksal ebenfalls nicht entgehen. Als dann schließlich gar die jüngste Tochter eines polnischen Grafen ermordet wird, ist das kriminalistische Gespür des dortigen Amtsgerichtsrats gefragt. Er hört auf den Namen Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann und wurde in das einst polnische Städtchen strafversetzt, hatte er doch in Posen während des Karnevals 1802 unbotmäßige Karikaturen
der Posener Gesellschaft gezeichnet. Der Autor Dieter Hirschberg nimmt Hoffmanns Aufenthalt in Plock zum Anlaß, einen hinreißend schaurigen Krimi zu schreiben, in dem der komponierende Jurist die Hauptrolle spielt. In Die schwarze Muse. Ein Fall für E.T.A. Hoffmann (bebraverlag, Berlin, 352 Seiten, brosch., 12 Euro) erzählt er mit hoffmannesker Bravour die Geschichte um eine uralte Puppe, eben die schwarze Muse, die ihren Besitzern zunächst Talent, Verzückung und schließlich jedoch Unheil bringt. Auf mysteriöse Weise miteinander verwoben sind die Schicksale eines Doktors mit Erfindergabe, eines Revolutionärs und einer gräflichen Familie. Auch Hoffmann erfährt um die Macht der Puppe. Ist sie es, die ihm unvergleichlich schöne Melodien für seine Oper "Undine" eingibt? Hirschberg versteht es, bis zum furiosen Ende der Geschichte seine Leser zu fesseln. Ein spannendes Lesevergnügen, das sich allerdings nicht an die historischen Wahrheiten hält, wie der Autor freimütig zugibt. Hoffmann-Fans werden wissen, daß der geniale Musiker nicht 1803 in Plock mit seiner "Undine" begann, sondern erst 1811 in Bamberg. Und wie war es wirklich in Plock, das damals etwa 2.500 Seelen (ohne Militär) beherbergte?

Hoffmann fühlt sich durchaus nicht wohl in seiner Lage. "Ich werde immer mehr zum Regierungsrat", notiert er im Okotber 1803 in seinem Tagebuch. "Wer hätte das gedacht vor drei Jahren - Die Muse entflieht - der Aktenstaub macht die Aussicht finster und trübe! - Das Tagebuch wird merkwürdig, weil es den Beweis der ungeheuern Erbärmlichkeit ist, in die ich hier versinke. Wo sind meine Vorsätze hin! - wo meine schönen Pläne für die Kunst?" Hoffmann ist verzweifelt. Er schreibt eine Betrachtung über die Funktion des Chors in der griechischen Tragödie. Dieses "Schreiben eines Klostergeistlichen an seinen Freund in der Hauptstadt" wird in Kotzebues Zeitschrift Der Freimüthige gedruckt. Auch komponiert er: Messen, Motetten, Vespern, A-capella-Chöre, Sonaten. Viel Erfolg hat er nicht, doch sind Kritiker sich einig: ohne das Exil in Plock, ohne die Abgeschiedenheit in der Provinz wäre aus Hoffmann nicht das geworden, als das er heute verehrt wird: ein Künstler von hohen Graden.

E.T.A. Hoffmann: Selbstbildnis am Spinett mit der Partitur der "Undine" (Aquarell, 1815)

 
     
     
 
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