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So ändern sich die Zeiten: Kaiser und Könige "von Gottes Gnaden" hatten wir schon, nun haben wir einen Kanzler "von Allahs Gnaden"! Voller Stolz erklärte denn auch der Stellvertretende Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sich und seine überwiegend muselmanischen Landsleute zu "Königsmachern": Die Bundestagswahl sei "durch Deutsch-Türke n entschieden" worden.
Gestützt auf Zahlenmaterial der Forschungsgruppe Wahlen rechnete Chef-Türke Kolat vor: 400.000 Bürger türkischer Abstammung mit deutschem Paß waren wahlberechtigt, über 70 Prozent davon haben an der Wahl teilgenommen, von diesen wiederum haben 60 Prozent der SPD und 20 Prozent den Grünen ihre Stimme gegeben. Macht 225.000 Stimmen für Rot-Grün. Rund 30 weitere Parteien mußten sich mit gerade mal einem Viertel davon, nämlich etwa 55.000 Stimmen, begnügen.
Angesichts des knappen Ausgangs dürfte Kolats Behauptung, die 80-Prozent-Mehrheit bei den Türken habe Schröder und Fischer zum Wahlsieg verholfen, der Wahrheit entsprechen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer Untersuchung des Zentrums für Türkeistudien an der Universität Essen. Danach würden von den tatsächlich abgegebenen deutsch-türkischen Stimmen 60 Prozent auf die SPD, 22 Prozent auf die Grünen, zehn Prozent auf die CDU und drei Prozent auf die FDP entfallen - 82 Prozent für Rot-Grün. Diese auf das bevölkerungsreichste Bundesland NRW bezogenen Zahlen sind seit Februar 2002 bekannt; warum die Wahlstrategen der bürgerlichen Parteien sie weitestgehend ignoriert haben, ist nicht nachvollziehbar.
Die Essener Studie verdeutlicht auch, welch gravierenden Einfluß die Novellierung des Zuwanderungsrechts durch die Bundesregierung auf das Wahlverhalten der Deutsch-Türken hatte. Die FDP, in früheren Zeiten für pseudoliberale multikulturelle Träumereien aller Art zuständig, sank im Bewußtsein der türkisch- stämmigen Wahlberechtigten bis zur Meßbarkeitsgrenze ab, während die Grünen sich den Lohn für vehementen Multikulti-Einsatz an der Wahlurne abholen konnten; allein in NRW steigerten sie den Zuspruch aus türkischen Kreisen von 1999 bis Ende 2001 um mehr als das Sechsfache.
Die Türkische Gemeinde fordert nun unverhohlen die "Umsetzung von Wahlversprechen". Gemeint ist damit folgendes: "Bürokratische Hindernisse" beim Einbürgerungsverfahren sollen ausgeräumt, die Möglichkeiten der Hinnahme von Mehrstaatlichkeit sollen erweitert werden. Und schließlich: Die Türken erwarten auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen im Dezember "einen Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen".
So wird Politik zum Kuhhandel abgewertet: Die Regierung macht Gesetze, um sich Mehrheiten zu sichern, die so beglückten Neu-Wähler bedanken sich am Wahltag artig, halten aber schon am nächsten Tag die Hand auf. Belohnt werden sie von der wiedergewählten Regierung mit weiteren mehrheitssichernden Gesetzen, wofür sie sich bei der nächsten Wahl wieder artig bedanken. Und so weiter, und so fort.
Der grüne deutsch-türkische Cem Özdemir meinte unlängst: "Was unsere Väter vor Wien nicht schafften, schaffen wir mit unserem Verstand." Im nachhinein wollte er diesen Wink mit uralten osmanischen Hegemoniegelüsten ironisch gemeint haben. Zweifel sind angebracht - oder war die 80-Prozent-Präferenz für Rot-Grün, mit der die Deutsch-Türken Schröder zum Kanzler und Fischer zum Vizekanzler machten, etwa auch nur "ironisch gemeint |
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