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Schleichwege zur Macht

 
     
 
Die PDS übt sich in Geduld. Sie hat sich auf einen langen Marsch durch demokratische, parlamentarische Strukturen und Institutionen einge- stellt. Rosa Luxemburg hatte 1899 einen Artikel mit dem Titel "Eine taktische Frage" veröffentlicht. Darin steht:

"Es kann allerdings in der Entwicklung oder vielmehr in dem Untergang der kapitalistischen Gesellschaft Augenblicke geben, wo die endgültige Machtergreifung
durch die Vertreter des Proletariats noch unmöglich wäre, ihr Anteil an der bürgerlichen Regierung aber als notwendig erschiene, namentlich, wo es sich um die Freiheit des Landes oder um die demokratischen Errungenschaften, wie die Republik, handelt."

Petra Pau, die Vorsitzende des Berliner Landesverbandes der PDS, Mitglied des Innenausschusses des Bundestages, verkündete im Oktober vergangenen Jahres:

"Die PDS steht nicht nur auf dem Boden des Grundgesetzes. Die PDS verteidigt es, wie kaum eine andere Partei."

Nach dem Zusammenbruch kommunistischer, sozialistischer Terrorregime wie des SED-Unrechtsstaates hat sich die Akzeptanz sozialistischer Vorstellungen vergrößert. Denn nun ist die Abschreckung weggefallen. Nun läßt sich die Propagandaphrase besser "verkaufen": Im Kirchenfunk eines deutschen Regionalsenders gab Marie Veit, promovierte evangelische Theologin, 1973 Mitbegründerin der deutschen Sektion der "Christen für den Sozialismus", nach dem Zusammenbruch des "real existierenden Sozialismus" einen Kommentar mit dem Titel "Der Sozialismus ist tot? Es lebe der Sozialismus" von sich, in dem sie sagte:

"Die Überlegenheit des Sozialismus ist erwiesen. Wer einen solchen Satz heute in Deutschland ausspricht, setzt sich dem Verdacht aus, nicht richtig im Kopf zu sein. Und doch will ich es tun ... Sozialismus will, von seinem Ansatz her, Lebensrecht und Menschenwürde für alle. Die richtigen Methoden dafür müssen ent-wickelt werden. Über den kurzen Weg der Diktatur geht’s nicht, das hat nicht nur die Geschichte gezeigt, das liegt auch im Wesen der Sache ... Es ist viel zu tun, in Theorie und Praxis. Christen sollten daran mitarbeiten."

Bei einer Umfrage des Instituts FORSA im Juni dieses Jahres erhielt die SED-Fortsetzungspartei acht Prozent, ein Prozent mehr als die Grünen. Gegenwärtig verfügt die PDS über 6500 kommunale und regionale Mandate (nicht berücksichtigt die PDS-Abgeordneten in Landtagen). Darunter zwei Landräte, 27 hauptamtliche Bürgermeister und 159 ehrenamtliche Bürgermeister, 18 hauptamtliche kommunale Wahlbeamte (u. a. 14 Berliner Bezirksstadträte).

Bemerkenswert ist das Ergebnis einer Umfrage vom Mai. Auf die von der Forschungsgruppe Wahlen gestellte Frage "Falls es nach der nächsten Bundestagswahl zu einer Beteiligung der PDS an der Bundesregierung käme, fänden Sie das gut, fänden Sie das schlecht, oder wäre Ihnen das egal?" antworteten von denen, die sich als CDU/CSU-Mitglieder oder -sympathisanten zu erkennen gaben: Fände das gut – 10 Prozent, wäre mir egal – 20 Prozent, fände es schlecht – 64 Prozent, weiß nicht – sechs Prozent.

Es muß demokratisch, verfassungsgerecht aussehen. Seit ihrem 7. Bundesparteitag im Oktober 2000 bastelt die PDS an ihrem Erscheinungsbild herum. Zur Pro- filerneuerung gibt es zum Beispiel einen geschickt geschriebenen Entwurf der PDS-Spitze für ein neues Programm mit vielen "Sowohl als auch", in dem sowohl vom Ankommen in der Demokratie und auf dem Boden des Grundgesetzes als auch dessen Nutzung zur "Überwindung" der "kapitalistischen Gesellschaftsordnung" geschrieben steht. In den letzten Wochen gab die PDS-Spitze zwei Erklärungen zur Geschichte ab. In der einen distanziert sie sich von der Art und Weise der Vereinigung von SPD und KPD in der SBZ im April 1946 zur SED. In der anderen verurteilt sie den Bau der Berliner Mauer.

Ein Satz in der PDS-Erklärung zum Bau der Mauer muß aufhorchen lassen. Am Schluß dieses Papiers verkündet der Vorstand der SED-Fortsetzungspartei: "Die PDS hat sich vom Stalinismus der SED unwiderruflich befreit." Nur vom Stalinismus. Im März 1994 hatte ein Funktionär der SPD-Jungsozialisten in Aachen, Kim Opgenoorth, im "Neuen Deutschland" verkündet: "Der Stalinismus ist tot. Der Kapitalismus hat versagt. Der Sozialismus lebt." Er muß halt demokratisch aussehen!

Orthodoxe Kommunisten und Marxisten in der PDS, allen voran die "Chefideologin" der linksextremistischen "Kommunistischen Plattform", das Bundesvorstandsmitglied Sahra Wagenknecht, leisten gegen einzelne Elemente des "Kleidungswechsels" Widerstand. Sie sehen ihre Partei gar auf dem Weg nach Godesberg, wo die SPD 1959 zur Volkspartei mutierte. Diese Mitglieder der SED-Fortsetzungspartei sollten bei dem Leit-Strategen und -Taktiker der SPD seit seiner Wahl in den Parteivorstand 1958, Herbert Wehner, nachlesen. Bald nach Verabschiedung des "Godesberger Programms" im November 1959 plauderte Wehner in einem Gespräch mit der SPD-Zeitschrift "Vorwärts" aus:

"Unser Problem ist, wie kommen wir mit den Mitteln der Demokratie zum Sozialismus." Alles klar, Frau Wagenknecht?

 
     
     
 
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