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Die derzeitige Ölkrise ist ein Menetekel. Sie zeigt, welch starke Verflechtung die Weltwirtschaft bereits erreicht hat und welch enorme Abhängigkeit Europas von anderen Weltregionen daraus erwächst. Diese Abhängigkeit führt zur Hilflosigkeit der europäischen Politiker. Sie verlieren in wachsendem Maße die Möglichkeit, wirtschaftliche Entwicklungen zu beeinflussen.
Die Ölkrise läßt auch erahnen, was im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaft noch auf uns zukommen kann. Durch weitgehenden (weltweiten) Abbau der Zölle wird es den großen Konzernen als "global players" ermöglicht, die industrielle Produktion in die Billiglohnländer zu verlegen und die Waren anschließend zu höchstmöglichen Preisen in den Hochlohnländern zu verkaufen. In welchem Umfang diese Politik den Bürgern der sogenannten Hochlohnländer immer mehr Arbeitsplätze entzieht, scheint diesen Konzernstrategen gleichgültig zu sein. Ihr Motto lautet: "Nach uns die Sintflut", und die Politiker sehen tatenlos zu.
Ihnen ist es offenbar gleichgültig, daß eine solche Politik der offenen Grenzen dazu führen muß, daß die Europäer ihr Lohnniveau immer mehr dem der asiatischen Niedriglohnländer anpassen müssen und daß man angesichts von zwei Milliarden asiatischen Billiglohnarbeitern nicht erwarten kann, daß dort das Lohnniveau nennenswert steigt. Hält unsere demokratische Gesellschaftsordnung einen solchen Niedergang mit weitgehendem Sozialabbau aus, ohne in bürgerkriegsähnliche Zustände abzugleiten? Wie werden vor allem die Ausländer, die in manchen Großstädten bereits einen Bevölkerungsanteil von rund 30 Prozent ausmachen, auf den Zusammenbruch ihrer Wohlstandsträume reagieren?
Zusätzlich steigt die Gefahr einer Weltwirtschaftskrise, die von einer Weltregion ausgehend nach dem Dominosystem die übrigen Regionen erfassen könnte.
Unseren Politikern sind die Zügel längst entglitten, und die Wirtschaft beherrscht vom internationalen Großkapital ist nicht in der Lage, sie festzuhalten.
Die internationale Hochfinanz hat in der Vergangenheit alles unternommen, um das (ohnehin nicht sehr starke) Primat der Politik über die Wirtschaft zu beseitigen. Sie hat so wesentliche Teile der politischen Macht an sich gezogen, ohne jedoch diese Macht im Sinne des Gemeinwohls zu gebrauchen. Ihre Unternehmensstrategie zielt allein auf Gewinnmaximierung, und sie erkennt nicht, daß sie damit sehr schnell den Ast (eine stabile Gesellschaftsordnung) absägen kann, auf dem sie sitzt. Denn wirtschaftlicher Egoismus und Gemeinwohl können nur dann eine glückliche Synthese eingehen, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte ihre Interessen maßvoll und mit der gebührenden Rücksicht auf andere Gruppen vertreten. Von einer solchen Politik kann allerdings bei den "global players" keine Rede sein, weil sie nur ihre Interessen vertreten, nicht auch das Gemeinwohl.
Die drohende Gefahr einer Destabilisierung Europas durch die Globalisierung hat die Autoren Manfred Ritter und Klaus Zeitler veranlaßt, in ihrem kürzlich erschienenen Buch "Armut durch Globalisierung Wohlstand durch Regionalisierung" nach einem Ausweg zu suchen. Kritik an der Globalisierung und entsprechende Bücher gibt es zwar inzwischen in großer Zahl. Ein realistisches Gegenmodell hat bisher jedoch gefehlt, mit dem Ergebnis, daß die Globalisierungsprofiteure verkünden konnten, es gebe keine Alternative zu ihrer Politik. Ihnen kann man jetzt das von Ritter und Zeitler entwickelte Regionalisierungsmodell entgegenhalten, und es dürfte schwer fallen, diese Alternative zu widerlegen.
Das Modell von Ritter und Zeitler sieht die Aufteilung der Welt in große Wirtschaftsregionen vor, die sich in gebotenem Maß durch eine Schutzzollpolitik voneinander abschirmen. Dies würde es einer (gesamt-)europäischen Wirtschaftsregion ermöglichen, sich bei Zollfreiheit im Inneren der Region mit Hilfe von Zöllen an den gemeinsamen Außengrenzen gegen eine ruinöse Konkurrenz aus den Billiglohnländern zu verteidigen.
Einer solchen großräumigen Region kann man nicht den Vorwurf "mittelalterlicher Kleinstaaterei" machen, der üblicherweise auftaucht, wenn von Zöllen die Rede ist. Auch der Einwand, dies würde nicht funktionieren, läßt sich widerlegen. Denn das Modell wurde von den Autoren aus dem historischen Beispiel der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG als Vorläuferin der EU) entwickelt. Die EWG sah bei schrittweisem Zollabbau im Inneren der Gemeinschaft Schutzzölle an den gemeinsamen Außengrenzen vor, und dieses System hat sehr gut funktioniert. Später opferten die europäischen Politiker die Schutzzollidee auf Druck der Großindustrie dem Ziel eines weltweiten Freihandels.
Damit wurden die staatlichen Grenzen zunehmend "aufgeweicht" (auch gegenüber Einwanderern) offenbar mit dem Endziel einer "one-world". Die Folgen einer solchen Politik sind aber (auch bedingt durch die Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt) nicht weltweiter Wohlstand, sondern eine totale Nivellierung, die zur Verarmung der Arbeitnehmer und des Mittelstandes in den bisherigen Hochlohnländern führen wird. Sollen wir dies ohne entschiedenen Widerstand hinnehmen? Ritter und Zeitler richten einen leidenschaftlichen Appell an alle gesellschaftlich relevanten Kräfte besonders an Medien und Politiker , ihr Alternativmodell im Interesse der europäischen Bürger zumindest einmal zu diskutieren.
Den Autoren geht es letztlich um die Rettung unserer bürgerlichen Welt, die allein in der Lage ist, menschenwürdige Verhältnisse sicherzustellen. Ludwig Erhards "Wohlstand für alle" war das Modell, gegenüber dem der Kommunismus keine dauerhafte Chance hatte. Die "global players" meinen aber offenbar, nach dem Fall des Kommunismus auf diese Wohlstandspolitik verzichten zu können.
Ritter und Zeitler vermeiden es, bei der geforderten Schutzzollpolitik das Kind mit dem Bade auszuschütten. Nicht jeder importierte Hosenknopf soll mit Zöllen belegt werden, sondern nur die Produkte, die man (und dies ist eine Entscheidung der Politik) in Europa für den europäischen Verbraucher herstellen will.
Zunächst sollten unter diesen Schutz vor allem höherwertige Güter fallen. Die Zahl der betroffenen Güter und die Höhe der Zölle (welche die Chancengleichheit der europäischen Unternehmer herstellen sollen) müßten sich nach der Arbeitsmarktlage in Europa richten. Längerfristig ist die Idee der Regionalisierung allerdings darauf gerichtet, die Güter möglichst dort herzustellen, wo sie auch verbraucht werden. Dies dient nicht nur dem Umweltschutz. Dahinter steht auch der Gedanke einer angemessenen Autarkie (als Grundlage für Sicherheit und Selbstbestimmung, also Selbstbehauptung).
Die Autoren berücksichtigen auch die Schwäche Westeuropas hinsichtlich der Rohstoffversorgung und wollen hier eine größere Absicherung erreichen. Deshalb untersuchen sie die Möglichkeiten der engen Zusammenarbeit einer europäischen Großregion mit Rohstoffländern. Für Europa bietet sich insoweit auch eine enge Kooperation mit den Staaten der ehemaligen Sowjetunion mit ihren Rohstoffquellen an, von der bei einer vernünftigen Zusammenarbeit alle Beteiligten erheblich profitieren könnten. Ritter und Zeitler geht es natürlich in erster Linie um die Interessen der europäischen Bürger, die von den Staaten Europas gemeinsam wahrgenommen werden müßten, besonders wenn man sie gegen die ungeheure Macht des internationalen Großkapitals durchsetzen muß.
Selbst eine solche europäische Interessenvertretung scheint allerdings den Anhängern einer "one-world" schon gefährlich. So wird in einer Buchbesprechung durch die Salzburger "Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen" die Befürchtung geäußert, Ritter und Zeitler könnten mit ihren Thesen "den Boden bereiten für neue nationalistisch-autoritäre Bewegungen, diesmal vielleicht auf europäischer Ebene", was zu kurz gedacht ist.
Vielmehr wäre es nach den Autoren für Europa wünschenswert, wenn ihre Thesen die Grundlage für eine breite europäische Volksbewegung würden, deren Ziel die gemeinsame Interessenwahrnehmung ist. Daß daraus ein "europäisches Nationalgefühl" erwachsen könnte, das mit einem föderalistischen "Europa der Völker" durchaus vereinbar wäre, ist naheliegend und war ursprünglich ein selbstverständliches Anliegen der Vorkämpfer der europäischen Einigung. Man sieht, daß die "one-world"-Ideologen darüber schon längst hinweggegangen sind und die EU offenbar nur als Übergangslösung ansehen. Nachdem nationale Bollwerke unter der Regie des Großkapitals inzwischen weitgehend geschleift worden sind, böte sich hier die Chance, eine europäische Festung (zumindest zur Wahrnehmung elementarer europäischer Interessen) zu errichten. Gemeinsam gestaltete wirtschaftliche Interesse würden auch erheblich zur Solidarisierung der Bürger Europas beitragen.
Wer also behauptet, ein guter Europäer zu sein, müßte die Thesen von Ritter und Zeitler auch als große europäische Chance erkennen.
Diese europäische Interessenwahrnehmung würde den Entwicklungsländern nicht schaden, da sie nach Ansicht der Autoren derzeit nur Ausbeutungsobjekte für das internationale Großkapital sind. Der einzige Gewinner bei der Globalisierungspolitik sei die internationale Hochfinanz, die ihren Hauptsitz in den USA habe. Deshalb würden Regionalisierungsmodelle auch den meisten Entwicklungsländern dienen, da auch sie nur mit Schutzzöllen eine eigene (mittelständische) Industrie gegenüber den globalen Produktionsgiganten aufbauen könnten.
Eine vernünftige Regionalisierung könnte somit allen Völkern nutzen und die Interessen der Völker sollten immer Vorrang vor den Gewinnmaximierungszielen des Großkapitals haben.
Das neue Wirtschaftsmodell von Ritter und Zeitler erscheint damit geeignet, die wir |
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