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Um die "verharmlosenden" Äußerungen des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi zum Thema Mussolini sowie über seine Behauptung, der Faschismus könne nicht mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt werden, weil ersterer im Gegensatz zu letzterem keine massenhafte Vernichtung seiner Gegner betrieb, hat es auch (und gerade) in deutschen Landen viel Aufregung gegeben. Es gab auch die bekannte germanisch-teutonische Betroffenheit s-Empörung.
Nun ist interessant, daß eine der führenden Tageszeitungen Italiens, der Mailänder Corriere della Sera, zum Thema Berlusconi und Mussolini auf ganz andere, differenzierte Weise Stellung bezog. Wenn Berlusconi sich bei der Behandlung des Themas Mussolini und der Faschismus der Sprache der "Bar Sport" (zu deutsch: "Stammtisch") bediene, dann dürfe das niemanden verwundern, meint das Blatt.
Berlusconi sei zudem alles andere als ein Dummkopf, heißt es weiter. Er wisse genau, was seine Wähler erwarten. Mussolinis Interniertenlager, in die er seine Gegner sperren ließ, seien eine "Metapher für den Faschismus", der eine "erträgliche" Form der Unterdrückung war. Denn - so wörtlich - der Faschismus sei ein Regime gewesen, das wesentlich weniger unterdrückerisch war als Nazismus und Kommunismus. Dieses Regime - so lautet die auf den ersten Blick erstaunliche Schlußfolgerung des italienischen Blattes - funktioniere im kollektiven Unterbewußtsein von Millionen Italienern bis auf den heutigen Tag. - "Ob es uns gefällt oder nicht, was Berlusconi gesagt hat, denken (in Italien) viele."
Der Corriere schreibt, der Faschismus habe in Italien nicht die Mehrheit, sondern eine Minderheit unterdrückt. Die Zeitung wendet sich gegen den "jakobinischen Mythos", der unfähig gewesen sei, allen - und das heißt auch den Minderheiten - die Freiheit zu garantieren. Die marxistische Geschichtsschreibung habe versucht, die faschistische Unterdrückung als "massenhaft" erscheinen zu lassen. In Wirklichkeit aber sei nur eine Minderheit unterdrückt worden. Die italienische Zeitung mißbilligt zwar Berlusconis Äußerungen, aber sie attackiert mindestens ebenso scharf dessen linke Kritiker, die dauernd von einer "levee en masse" - einer Massenerhebung - phantasieren.
In Italien geht man an die jüngste Vergangenheit - auch die eigene - nicht so verkrampft heran wie in Deutschland. Deshalb hat sich Italien aber auch von den Schatten der Vergangenheit besser befreit als die Deutschen, die dauernd ihre braune Hypothek mit sich herumschleppen. Solange das aber so ist, werden die Deutschen den Schatten des A.H. nicht los - während die Enkelin Mussolinis heute unangefochten Abgeordnete im römischen Parlament ist. |
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