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Export beflügelt deutsche Wirtschaft", verkündeten Nachrichtensprecher und Zeitungen, nachdem die Wirtschaftszahlen für das erste Quartal 2004 vorlagen. Um ganze 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal sind die deutschen Exporte angestiegen, doch ansonsten ist von einer Konjunkturerholung nicht viel zu merken: die Arbeitslosenzahl liegt bei 4,4 Millionen, und die Binnenwirtschaft sta-gniert oder verbucht in manchen Bereichen sogar Umsatzrückgänge.
"Die deutsche Wirtschaft steht auf einem Bein, den Exporten", meint Analyst Ralph Solveen von der Commerzbank. Doch jeder, der die verschiedenen Wirtschaftsmeldungen miteinander in Verbindung bringt, kommt ins Grübeln, denn einerseits heißt es, der deutsche Export verbuche derzeit gute Zuwachsraten, andererseits heißt es aber auch, daß immer mehr Firmen ins Ausland abwanderten. Wie lange kann der deutsche Export da überhaupt noch wachsen, wenn die Firmen abwandern oder, um das Bild des Commerzbankanalysten fortzusetzen, wann bricht das eine Bein, auf dem die deutsche Wirtschaft steht, weg?
Exportwachstum und Firmenabwanderung stehen allerdings keineswegs im Gegensatz, sondern bedingen einander, denn nur durch Verlagerung der arbeitsintensiven Produktionsbereiche in Billiglohnländer kann Deutschland seine Produkte auf dem Weltmarkt noch konkurrenzfähig anbieten. So sind in der deutschen Industrie (oh- ne Bau) von 11,32 Millionen Arbeitsplätzen 1991 im Jahre 2002 nur noch 8,34 Millionen Arbeitsplätze übrig, was ein Minus von 26 Prozent der Arbeitsplätze im Inland ausmacht. Dafür ist die Zahl der durch deutsche Direktinvestitionen im Ausland geschaffenen Arbeitsplätze in der Industrie (ohne Bau) von 1,584 Millionen im Jahr 1991 auf 2,371 Millionen Arbeitsplätze 2001 angewachsen. Diese Entwick-lung wird sich in den nächsten Jahren eher noch verstärken. So plant laut einer Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer jedes vierte Industrieunternehmen, seine Produktion zumindest teilweise in den nächsten drei Jahren ins Ausland zu verlagern. Und so werden die Investitionen im Ausland erhöht, während kaum ein Exportunternehmen trotz guter Auftragslage am Standort Deutschland eine nennenswerte Kapazitätserweiterung plant.
Die Folge dieser Unternehmensstrategie ist, daß viele der deutschen Exportprodukte letztendlich aus Teilen zusammengesetzt werden, die im billigeren, vorwiegend osteuropäischen und asiatischen Ausland produziert worden sind und hierher nur noch zur Endmontage importiert werden. So ist der Anteil der importierten Vorleistungsgüter an deutschen Exportprodukten von 27 Prozent in 1992 auf 40 Prozent im Jahr 2002 angestiegen. Die Wertschöpfung der deutschen Exportsteigerungen wird daher immer mehr an den ausländischen Standorten erzielt.
Liest man also von deutschen Exportzuwächsen, so kann man sich nur bedingt darüber freuen, da hier Werte einfließen, die nicht in Deutschland geschaffen worden sind und von denen Deutschland nichts abschöpfen kann. Die deutschen Exportzahlen sind also künstlich aufgebläht und vor allem fast zur Hälfte nicht deutsches Verdienst. Die aufgrund hoher Lohnnebenkosten zu teuren deutschen Arbeiter werden immer weniger beschäftigt, allenfalls bei der Endmontage dürfen sie noch mitmachen. Kein Wunder also, daß sich die restlichen Wirtschaftsbereiche nicht erholen, denn das Geld der steigenden Exporte wird hier nicht wieder reinvestiert. Der Standort Deutschland wird in erschreckendem Tempo totgespart! Fritz Hegelmann
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