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Kommunismus 100 Millionen Tote - Die Bilanz des roten Terrors

 
     
 
Eine Hinrichtungsmethode erwähnt Courtois nicht: die des inneren Lagerterrors, praktiziert vom Wachpersonal, den Lagerärzten (!), kriminellen Häftlingen, Berufssadisten, der KZ-Mafia. Um nur einige Abscheulichkeiten aufzuführen: Vergewaltigung von Frauen, Männern, Kindern in der Baracke oder im Viehwagen. Kannibalismus.

Die Anwendung des Wippgalgens, der Wasserfolter, der Zwangsjacke, des Kreuzigens. Das Rösten mit der Petroleumspritze, das Zersägen bei lebendigem Leibe, das Zerschlagen der Zähne und der Gurgel mit Hammer
und Meißel, das Pfählen, das Aufspießen im Analbereich, die Durchlöcherung der Gedärme, das Aufhängen mit Handschellen, Zertrümmerung der Geschlechtsteile, das Einführen von Sägen und glühenden Stäben in die Vagina.

Wochenlanges Anketten in Einzelzellen mit vereisten Wänden.

Das Aussetzen völlig Entkleideter in der eisigen Tundra.

Genickschuß für den Arbeitsverweigerer.

Das Köpfen mit dem Beil in den Baracken der Berufskriminellen.

Entnommen einem Werk, das fünf Jahre vor dem Schwarzbuch in einem Frankfurter Verlag erschienen ist. Es sind Texte und Zeichnungen eines Insiders, des ehemaligen Gefängnisbeamten Danschik Baldajew. Die Bilder, gezeichnet nach Aussagen von Überlebenden, sind so grauenvoll, daß sich ihre Wiedergabe aus ethischen wie ästhetischen Gründen verbietet.

"Alles in allem kommt die Bilanz der Zahl von hundert Millionen Toten nahe", konstatiert Courtois. Kein kommunistisch regiertes oder erobertes Land bleibt in der Schreckensbilanz unerwähnt. Neben der Sowjetunion noch Vietnam (eine Million Tote), Nordkorea (zwei Millionen Tote), Kambodscha (zwei Millionen Tote), China (65 Millionen Tote), Osteuropa (eine Million Tote), Lateinamerika (150 000 Tote), Afrika (1,7 Millionen Tote), Afghanistan (1,5 Millionen Tote).

Für die Sowjetunion gibt der französische Kommunismusforscher 20 Millionen Mordopfer an – eine Zahl, die nach dem wissenschaftlichen Urteil russischer und ukrainischer GULag-Forscher zu niedrig ist.

Die Zahl der unter dem sowjetischen Kommunismus Ermordeten ist astronomisch. Es gibt für die- sen Vernichtungsfeldzug in der Menschheitsgeschichte keinen Vergleich. "70 Jahre der Selektion haben das Land 70 Millionen Menschenleben gekostet", stellte die Moskauer Tageszeitung "Moskowskij Komsomolez" am 24. November 1995 fest.

Das Unvergleichbare im Vergleichsversuch zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus bildet einen Schwerpunkt im russischen Revisionismus. In seinem Essay "Die russische Frage am Ende des 20. Jahrhunderts" (Nowij Mir, Heft 7, Moskau 1994) erwähnt Solschenizyn den Zeitgeschichtler und Soziologen Professor I. A. Kurganow, der die Opfer des "ständigen inneren Krieges der Sowjetregierung gegen das eigene Volk" auf 66 Millionen berechnet hat, bezogen auf die Epoche zwischen 1917 und 1947. Exklusiv erscheint im Kurganows Aufschlüsselung der Opferzahlen im singulären Ereignis des bolschewistischen Holocaust:

Drei Millionen im Bürgerkrieg 1917–1921, 50 000 im Krieg gegen Finnland 1918, 110 000 im Krieg gegen die baltischen Staaten 1918/19, 600 000 im Krieg gegen Polen 1920, 20 000 im Krieg gegen Georgien 1921/22, 30 000 im Krieg gegen Japan 1938/39, 3000 im Krieg gegen Polen 1939, 400 000 im Krieg gegen Finnland 1939, 20 Millionen im Zweiten Weltkrieg.

Roter Terror 1917–1923:

160 000 Akademiker, Schriftsteller, Künstler, Studenten, 50 000 Offiziere, Unternehmer, Beamte, Gutsbesitzer, 40 000 Geistliche, 1,3 Millionen Bauern und Arbeiter, sechs Millionen während der ersten Aushungerung 1921/22.

Zwei Millionen während der zweiten Terror-Welle 1923–1930, sieben Millionen in der zweiten Hungerwelle 1930–1933, 750 000 getötete Kulaken, 1,6 Millionen in der Terror-Welle 1933–1937, 1,005 Millionen in der Jeschowschtschina 1937/38, 2,7 Millionen in den Vor- und Nachkriegsjahren 1937–1947, 220 Millionen KZ-Häftlinge, Opfer von Zwangsarbeit, Exekution, Folter, Seuchen, Hunger.

Kurganows Opfer-Aufschlüsselung besteht aus 21 Rubriken, darunter auch der Hinweis: "20 Millionen im Zweiten Weltkrieg." Diese Angabe verwirrt, sie kann mißverstanden werden. Handelt es sich dabei um Kriegsverluste in der Zivilbevölkerung, um gefallene Rotarmisten an der Front, erschossene Deserteure, Verschollene, an ihren Verwundungen gestorbene Soldaten? Sind darin eingeschlossen auch die Kriegsgefangenen, umgekommen in deutschen Lagern? Auf wen konkret beziehen sich Kurganows "20 Millionen im Zweiten Weltkrieg"?

Seine Zählmethode ist eher moralisch zu werten. Die Art, wie Stalin im Krieg die eigenen Soldaten und Zivilisten behandeln ließ, wie er die eigene Truppe ins Feuer schickte, gnadenlos und menschenverachtend, deutet der Historiker Kurganow als ein Verbrechen des Kommunismus, wobei er sich auf das Urteil des fronterfahrenen Artillerie-Oberleutnants Solschenizyn berufen kann. "Anders als eine physische Vernichtung des eigenen Volkes kann man auch die rücksichtslose, unbarmherzige Art nicht nennen, mit der die Straßen des Sieges in Stalins sowjetisch-deutschem Krieg mit den Leichen der Rotarmisten übersät wurden", schreibt der Literaturnobelpreisträger 1994. "Die Minenräumaktionen mit den Füßen der vorwärts getriebenen Infanterie sind nicht einmal das krasseste Beispiel." Solschenizyn beziffert die Kriegsverluste sogar auf 31 Millionen.

Dies sei die blutigste Periode der russischen Geschichte gewesen, kommentiert der Historiker W. W. Isajew die Zahlen.

"Getötet wurden von der Sowjetmacht 66 818 000 Menschen, mehr als 40 Prozent der Bevölkerung. Wahrlich eine ,Errungenschaft‘, von der kein anderes Land träumen konnte. Vernichtet die intellektuelle, geistig schöpferische Lebensbasis einer Nation, liquidiert die Fleißigsten ihrer Arbeiter und Bauern!"

Kurganows und Isajews Zahlen-Angaben sucht man im Schwarzbuch des Kommunismus vergebens, was an der redaktionellen Fertigstellung des Schwarzbuches gelegen haben kann, erschien doch Kurganows Auflistung im Jahre 1996, in der Petersburger Zeitschrift "Nasche Otetschestwo" (Unser Vaterland), Nr. 63.

Merkwürdigerweise unterlassen es die Autoren des Schwarzbuches, auf das blutige Kapitel der Exekutionen innerhalb der Roten Armee einzugehen. Stalins Ukas Nr. 227 vom 28. Juli 1942 ordnete die sofortige Erschießung aller Rotarmisten an (vom Rekruten bis zum Kommandeur), die der Panikmache, Fahnenflucht oder Befehlsverweigerung verdächtig waren. Im Verlauf des Krieges wurden 158 000 exekutiert, in den meisten Fällen vor angetretener Mannschaft. Darüber berichtete der Kriegshistoriker Dmitrij Wolkogonow. Sein Artikel "Prawo na pamjat" (Recht auf Erinnerung), gewidmet den "Strafsoldaten, Verfolgten, Nichtheimkehrern" erschien 1995 in der Moskauer Wochenzeitung "Argumentij in faktij", Nr. 18/19.

Es bleibt zu hoffen, daß die hier genannten Tatsachen in einer Neuauflage des Schwarzbuches berücksichtigt werden. Es ist das Schicksal eines Revisionisten, stets mit neuen Erkenntnissen konfrontiert zu werden. Das Verdienst eines Courtois bleibt ungeschmälert, zumal er vor Tabuverletzungen nicht zurückschreckt. So ist Courtois der Überzeugung, daß der "Rassen-Genozid" Hitlers und der "Klassen-Genozid" Stalins durchaus miteinander verglichen werden können. Die Gemeinsamkeiten seien auf jeden Fall größer als die Unterschiede. Die "Vernichtungsmaschinerie der Vergasung" entsprach auf bolschewistischer Seite dem "systematischen Einsatz des Hungers als Waffe". Courtois illustriert es an drei Beispielen: am Genozid an den Kosaken, den Kulaken, den Ukrainern.

"Von vornherein verstanden sich Lenin und seine Genossen als Führer eines gnadenlosen Klassenkampfes, in dem der politische oder ideologische Gegner, ja sogar widerspenstige Bevölkerungsteile als auszumerzende Feinde betrachtet und auch so behandelt wurden", schreibt Courtois im Vorwort des Schwarzbuches.

"Die Bolschewiken beschlossen, jegliche – auch passive – Opposition gegen ihre Vormachtstellung ... physisch zu eliminieren. Das richtete sich nicht nur gegen Gruppen politischer Oppositioneller, sondern auch gegen ganze gesellschaftliche Gruppen (Adel, Bürgertum, Intelligenz, Kirche und so weiter) sowie gegen Berufsstände (Offiziere, Polizisten usw.) und nahm zum Teil Züge eines Genozids an."

Courtois verdeutlicht es am Schicksal der Kosaken von Don, Kuban, Terek, Ural, Amur. "Von 1920 an entspricht die Entkosakisierung im wesentlichen der Definition des Genozids: Die Gesamtheit einer auf streng umrissenem Raum angesiedelten Bevölkerung, die Kosaken, wurde als solche ausgelöscht. Die Männer wurden erschossen, Frauen, Kinder und Alte deportiert, die Dörfer dem Erdboden gleichgemacht."

Der Franzose Courtois benutzt hier einen klassischen, zweihundert Jahre alten Begriff eines anderen Franzosen: "Populicide". Er stammt von Gracchus Babeuf, dem Erfinder des modernen Kommunismus (1795). Im Grunde handelte es sich beim Kosaken-Holocaust um einen zweifachen Genozid – Ethnozid und Soziozid. Die Kosakenschaft verstand sich ja sowohl als ein eigener Berufsstand wie auch als ethnische Sondergruppe innerhalb des Russentums.

Nach Ansicht des russischen Kommunismusforschers Anatolij Iwanow haben Lenin, Swerdlow, Trotzki, Dscherschinski, Stalin und die übrigen russophoben Bolschewikenführer die Bauernschaft und Kosakenschaft als "reaktionäre Masse" betrachtet. Trotzki bezeichnete Bauern und Kosaken als "formlose Überbleibsel des Mittelalters in der modernen Gesellschaft". Schluß folgt

 

 
     
     
 
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