|
Es gibt noch - entgegen einer verbreiteten Annahme - lernfähige Politiker. Das vorliegende Buch des außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger, liefert einen Nachweis. Es enthält in weiten Teilen eine realistische Analyse der weltpolitischen Situation und entsprechende Handlungsvorschläge für die deutsche Politik für den Fall eines Regierungswechsels in Berlin.
Pflüger erkennt im Islamismus die dritte totalitäre Herausforderung für Europa und den Westen nach dem Sowjetkommunismus und dem Nationalsozialismus. Auch dieser beansprucht wie jene den "ganzen Menschen", sein klares Feindbild sind die "Ungläubigen" des Westens. Eine Abwehr nennt der Autor ohne Pathos "unsere Generationsaufgabe". Pflüger beschönigt nicht, daß Europa für diese Aufgabe schlecht gerüstet ist. Seine Demographie ist fatal: Während in der islamischen Welt eine Bevölkerungsexplosion, eine "Revolution der Wiegen" stattfindet, befindet Europa sich in einem Stadium nachhaltigen Geburtenschwundes. Unübersehbar ist die Signatur der Dekadenz: Man lebt hier schon seit längerem auf Kosten der künftigen Generationen. Der Kontinent erscheint geistig und kulturell und historisch-politisch orientierungs- und formlos. Das Fernsehen der westlichen Spaßgesellschaften zeigt - gerade auch den Menschen des Islam - "unsere verächtliche Welt". Als Beispiel westlicher Schwäche und ihrer Neigung, sich vom islamischen Terrorismus erpressen zu lassen, nennt Pflüger die kürzliche Entscheidung der neuen sozialistischen Regierung Spaniens, auf den islamistischen Massenmord in Madrid am 11. März mit dem Rückzug der spanischen Truppen aus dem Irak zu reagieren.
Zugleich betont Pflüger aber, daß die Auseinandersetzung mit dem Islam weit mehr als ein nur militärisch-polizeiliches Problem ist. Sie reicht bis in die religiösen und kulturellen Tiefen beider Seiten. Europa und der Westen müssen sich in dieser Konfrontation auf die Fundamente des "christlichen Abendlandes" besinnen, unsere "europäische Leitkultur" bewahren und wieder stärken.
Pflüger macht aber auch keinen Hehl aus den sich daraus ergebenden politischen Konsequenzen. Er wendet sich zum Beispiel entschieden gegen den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union, der die kulturelle Identität Europas zerstören und die Europäische Gemeinschaft ökonomisch und politisch ruinieren würde.
Für die Krisenregion des Nahen und Mittleren Ostens schlägt Pflüger einen europäischen Plan langfristiger Zusammenarbeit vor, der sich der Gefahren einer entfesselten Globalisierung bewußt ist, die "die Kräfte der Anarchie, der Ideologie, der Revolution, der Gewalt und des Terrors stärken muß; so wie im 19. Jahrhundert der Manchesterkapitalismus einst die marxistisch-leninistische Revolution auf den Plan gerufen hatte. Es geht darum, die Globalisierung zu gestalten, und Pflüger nennt dazu an erster Stelle die Respektierung der "kulturellen Identität der Menschen, ihrer lokalen, regionalen, nationalen Kulturen und religiösen Wurzeln". Die Entwurzelung der Menschen würde dagegen das Geschäft der extremistischen Rattenfänger erleichtern. Globalisierung bedeutet Modernisierung, nicht aber die Nivellierung der Menschheit zu einer westlichen Einheitskultur.
Das erscheint mir als ein vernünftiges programmatisches Fundament, das zum Beispiel einen fairen Wettbewerb der Märkte und eine starke ökologische Komponente einschließt. Ob dazu freilich weltstaatliche Strukturen einer "global governance" der richtige Weg sein können, kann zumindest bezweifelt werden.
Friedbert Pflüger setzt auf die Kräfte aufgeklärten Denkens im Islam und nennt eine neue Generation von Theologen, etwa in Istanbul und an der Kairoer Al-Azhar-Universität, die sich vom Terrorismus distanzieren. Wie das jedoch mit dem Totalitätsanspruch des Islam zu vereinbaren ist, bleibt strittig. Ein religiös und kulturell schwächliches Europa wird ihm jedenfalls nicht imponieren. Für den Fortgang und Ausgang der Konfrontation wird entscheidend sein, ob der Westen seine heutigen spätliberalen Schwächen überwinden wird. K. Hornung
Friedbert Pflüger: "Ein neuer Weltkrieg? Die islamistische Herausforderung des Westens", DVA, München 2004, geb., 304 Seiten, 19,90 Euro
|
|