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Schüssel entthront

 
     
 
Die Meinungsforscher hatten sich in den letzten Wochen mit Voraussagen sehr zurückgehalten. Verständlich, denn das Abschneiden der Kleingruppierungen BZÖ, Liste Martin und KPÖ war mit statistischen Methoden schwer abschätzbar: Wie viele Stimmen und - im Falle des Einzugs ins Parlament - wie viele Mandate würden sie den größeren Parteien wegnehmen? Am Sonntag trat dann ein, was niemand zu erhoffen beziehungsweise zu befürchten gewagt hätte: Die ÖVP verlor sehr viel mehr als die SPÖ und landete an zweiter Stelle. Auch die Prognosen über das von der FPÖ abgespaltene BZÖ gingen doppelt daneben: Das für denkbar gehaltene Grundmandat in Kärnten wurde verfehlt, bundesweit aber schaffte das BZÖ offenbar die Vier-Prozent-Hürde.

Das vorläufige Endergebnis in Prozentpunkten (verglichen mit den National
ratswahlen 2002): ÖVP 34,2 Prozent (-8,1), SPÖ 35,7 (-0,8), FPÖ 11,2 (+1,2 gegenüber dem Ergebnis vor der Abspaltung des BZÖ), Grüne 10,5 (+1,0), BZÖ 4,2, Liste Hans Peter Martin 2,8 und KPÖ 1,0 (+0,4). In Mandaten würde dies bedeuten: ÖVP 66 (-13). SPÖ 68 (-1), FPÖ 21 (+3), Grüne 20 (+3) und BZÖ acht Mandate. Die Wahlbeteiligung lag mit 74,2 Prozent niedriger als bei allen früheren Parlamentswahlen.

Das Gespenst Rot-Grün ist damit noch nicht gebannt. Denn von den 6,1 Millionen Wahlberechtigten hatten 400000 Briefwahl beantragt, und deren Stimmen werden erst in etwa zehn Tagen endgültig ausgezählt sein. Da erfahrungsgemäß die Linken einen hohen und die bürgerlichen Parteien einen weniger hohen Mobilisierungsgrad haben, könnte das BZÖ letztlich unter die Vier-Prozent-Grenze fallen, und die dadurch freiwerdenden Mandate könnten den Linksparteien eine hauchdünne Mehrheit bringen.

Wie ist die Schlappe der ÖVP zu erklären? Wesentlich dazu beigetragen hat jedenfalls eine massive Selbstüberschätzung, die sich in Nachlässigkeit der Kader und geringer Wahlbeteiligung niederschlug. Die Schwäche der SPÖ wegen des "Bawag"-Skandals wurde maßlos überschätzt. Und die 2002 von der FPÖ zur ÖVP gewanderten Wähler kehrten teilweise wieder zur FPÖ zurück oder gingen zum BZÖ. Von besonderem Interesse war das Kärntner Wahlergebnis: Das BZÖ, das dort als Liste Haider antrat, kam auf 25,4 Prozent, gegenüber 2002 sogar ein kleiner Zuwachs. Das von vielen erwartete politische Aus von Jörg Haider ist also noch keineswegs besiegelt.

Den persönlich größten Erfolg hat zweifellos FPÖ-Chef Heinz Christian Strache zu verzeichnen: Trotz Parteispaltung, Streichung der staatlichen Parteienfinanzierung und Behinderung durch die Bundeswahlbehörde konnte die FPÖ den dritten Platz verteidigen und ein Ergebnis einfahren, das klar über dem von 2002 liegt. Über die Regierungsbildung läßt sich unter den gegebenen Umständen nur spekulieren. Als Zweier-Koalition wäre derzeit nur Rot-Schwarz möglich.
 
     
     
 
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