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Mehr als eine Woche nach Gründung des "Bündnisses Zukunft Österreich" (BZÖ) durch Jörg Haider ist noch vieles unklar. Eines steht jedoch fest: Von einer "CSU-Lösung" kann keine Rede sein, denn es liegt keine territoriale Abgrenzung zweier Parteien vor, sondern eine Spaltung, die sich quer durch alles zieht, was bisher als FPÖ firmierte. Mit der FPÖ/BZÖ-Krise wurde aber auch eine Schwachstelle des parlamentarischen Apparats augenfällig , nämlich das "freie Mandat" - das entweder gar nicht so frei ist oder zur Wählertäuschung mißbraucht werden kann. Und schließlich ist da noch eine europäische Dimension - zu dieser gleich am Anfang, weil sie die Zwangslage der handelnden Personen verdeutlicht:
Turnusmäßig wird Österreich im ersten Halbjahr 2006 den EU-Ratsvorsitz übernehmen, was für Bundeskanzler Schüssel der bisherige Höhepunkt seiner politischen Laufbahn wäre. Regierungskrisen oder gar Neuwahlen während dieser Zeit würden nicht nur dem Ansehen Österreichs schaden, sondern auch die Arbeit der EU-Gremien behindern. Da alle bisherigen FPÖ-Regierungsmitglieder und nahezu alle FPÖ-Parlamentarier von Blau zu Orange wechselten und sich schriftlich zum bisherigen ÖVP/FPÖ-Regierungsprogramm bekannten, könnte Schüssel also getrost dem regulären Wahltermin im Herbst 2006 entgegensehen, auch wenn die "alte" FPÖ mit ein oder zwei Parlamentssitzen Opposition betreibt. In Anbetracht der wechselvollen bisherigen Beziehungen zwischen Schüssel und Haider ist Skepsis aber durchaus angebracht.
Doch Schüssel hat ohnehin keine Alternative: Ein fliegender Koalitionswechsel ohne vorgezogene Neuwahlen - entweder zu Schwarz/Rot oder Schwarz/Grün - wäre früher zwar theoretisch möglich gewesen. Heute würde sich ein solches Experiment weder für Sozialdemokraten noch Grüne lohnen. Alle Umfragen weisen darauf hin, daß die SPÖ vor der ÖVP liegt und die Grünen besser da stehen als FPÖ und BZÖ zusammen. Da kann also niemand in ÖVP, FPÖ oder BZÖ Interesse an Neuwahlen haben. Und trotz gegenteiliger Beteuerungen, eigentlich auch nicht die SPÖ: Denn nur wenige Österreicher können sich den SPÖ-Chef Gusenbauer als Bundeskanzler vorstellen. Und gänzlich ohne Regierungserfahrung den EU-Ratsvorsitz übernehmen - womöglich mit einem grünen Koalitionspartner?
Nun zum "freien Mandat": Daß einzelne Abgeordnete abspringen und dann "wilde" Abgeordnete sind, kommt immer wieder vor. Und daß jemand, der durch Vorzugsstimmen als Person gewählt wurde, die Partei wechselt, ist ebenfalls unbedenklich. Aber daß jemand, der nur auf einer Parteiliste kandidierte, sein Mandat zu einer anderen Partei mitnimmt, ist zumindest unanständig. Und eine Regelung, die dies erlaubt, ist zugleich Vorschubleistung zum Stimmenkauf! Als vor zwölf Jahren fünf FPÖ-Abgeordnete sich als "Liberales Forum" abspalteten, ging es "gegen Haider". Da war der heutige Bundespräsident Fischer, damals Parlamentspräsident, sehr bemüht, den Abtrünnigen sogar den Klub-Status einzuräumen, der mit gewissen Privilegien verbunden ist. Zwangsläufig kann er, obwohl es diesmal Haider nützt, "keinen Verfassungsbruch" feststellen, wenn jetzt die FPÖ-Mandate zu Haiders BZÖ wechseln.
Doch es geht auch um Geld und Namen: Wieso dürfen sich die nunmehrigen BZÖ-Parlamentarier "freiheitlicher Parlamentsklub" nennen und die entsprechende Klubförderung kassieren? Die Schulden der FPÖ hingegen sollen bei der FPÖ bleiben, obwohl die dafür verantwortlichen Vorstandsmitglieder jetzt im BZÖ-Vorstand sitzen? Ähnlich stellt sich die Frage auch für die Landtage in den Bundesländern: Wieso darf sich die fast komplett zum BZÖ übergewechselte Kärntner FPÖ-Riege jetzt "Die Freiheitlichen in Kärnten" nennen und sich weigern, die Parteizentrale an die "alte" FPÖ herauszugeben? Die Gerichte werden sich also mit mancherlei juristischem "Neuland" befassen müssen.
Die Frage, wie die Wähler auf die neue Situation reagieren, läßt sich nach den Gemeinderatswahlen in Vorarlberg am letzten Sonntag noch nicht beantworten, weil nur die FPÖ kandidierte und die FPÖ Vorarlberg "einen eigenständigen Weg gehen will". Auf Bundesebene jedenfalls sieht es so aus, daß bei Neuwahlen derzeit sowohl FPÖ als auch BZÖ an der Vierprozenthürde scheitern könnten. Prof. Dr. Küssner |
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