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Berlin-Dahlem, Peter-Lenné-Straße 28-30, Haus Wiegand. Ein Ort, an dem oft und gern Filme über die NS-Zeit gedreht werden. Das war wohl auch die erste Assoziation der meisten Besucher, die sich am Tag des Offenen Denkmals hier einfanden. Eine bestimmte Ähnlichkeit mit dem ehemaligen Reichsluftfahrtministerium oder der Reichsbank, in denen sich heute Finanzministerium und Auswärtiges Amt befinden, ist nicht zu leugnen. Die mächtige, zweigeschossige Fassade aus grauem Muschelkalk weist keinerlei Zierrat auf. Die einfach strukturierten, in die Fassade eingeschnitten Fenster vermitteln in ihrer strengen Anordnung den Eindruck größter Ernsthaftigkeit.
Das Haus wirkt monumental, und das soll es auch. Diese Wirkung wird noch verstärkt durch das Eingangsperistyl zur Straßenseite, ein von dorischen Säulen umgebener Laubengang, der einen Vorhof bildet und das repräsentative Hausportal ersetzt. Hier besteht ein leichtes Mißverhältnis zwischen der Anlage und dem zur Verfügung stehenden Platz. Das Peristyl verstellt eher den Zugang zum Haus, als das es einladend wirkt. Dem Architekt en und seinem Bauherrn kam es vor allem auf den antikisierenden Effekt an.
Das Haus wurde 1911/12 von Peter Behrens errichtet, einem Schinkelverehrer. Sein Neoklassizismus unterscheidet sich von der zeittypischen Nachahmerei vergangener Epochen durch die Offenheit für die Moderne. Bekanntgeworden war Behrens durch die Berliner AEG-Turbinenhalle, die aus Glas, Stahl und Beton besteht, ihren Zweck überhaupt nicht leugnet und gleichzeitig Anklänge an Sakralbauten enthält.
Das Haus in Dahlem gehörte dem Archäologen Theodor Wiegand, der als Vertreter der Berliner Museen in Istanbul tätig war. Seit 1900 war er mit Marie von Siemens aus der bekannten Industriellendynastie verheiratet. Ursprünglich sollte in Dahlem eine Gartenstadt für den Mittelstand entstehen, doch die Bodenspekulation führte dazu, daß die Gegend für die wirklich Reichen reserviert blieb. Für Leute wie die Siemens, die auch schon am Wannsee ein Anwesen hatten. Zwei benachbarte Grundstücke kauften sie gleich noch dazu.
Der Wunsch nach einem repräsentativen Wohnhaus war bei Wiegand entstanden, als er 1911 zum Direktor der Antikenabteilung der Berliner Museen ernannt wurde. Im Innern erlebt der Besucher eine Überraschung. Die Decke des Vestibüls, seinerzeit auch als Wohnraum genutzt, ist mit farbigen Stuckelementen aus dem türkischen Rokoko ausgestattet. Sie stammen aus einem abgerissenen Istanbuler Palais.
Im Haus Wiegand kann sich der Besucher noch heute davon überzeugen, wie das Berliner Großbürgertum einst gelebt hat, da die Inneneinrichtung zu großen Teilen erhalten geblieben ist. Mit ihrem minimalisierten Klassizismus verrät sie ebenfalls die Handschrift von Behrens. Im Erdgeschoß befanden sich die Repräsentationsräume wie Gartensaal, Bibliothek, Arbeits- und Speisezimmer, oben die Wohn- und Schlafzimmer. Die Räume erscheinen riesig. Das Bad allerdings ist so klein, daß man sich fragt, ob hier überhaupt eine Badewanne Platz gefunden hat.
Nach dem Krieg erwarb der Bund das Gebäude und richtete es als Zentrale für das Deutsche Archäologische Institut her. Eine glückliche Lösung, denn Wiegand war selber einige Jahre Institutsdirektor. So hat sich sein Geist in dem Haus voll bewahrt. Das Institut wurde 1829 als eine private Einrichtung in Rom gegründet (eine Filiale besteht dort bis heute) und später vom preußischen Staat übernommen. Heute untersteht es dem Auswärtigen Amt. Die alte Wiegand-Bibliothek ist das Zimmer des Präsidenten, das vormalige Arbeitszimmer das der Chefsekretärin. Soviel Kontinuität ist in Berlin selten.
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