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Auf einem Gebiet bleiben wir Deutschen Weltmeister: Im Reisen! Na ja, mit Abstrichen, denn auch das Urlaubsbudget mußte bei den meisten erheblich abspecken. Was nicht bedeutet, daß damit die Reiselust gemindert wird. Man kalkuliert eben etwas kostenbewußter, vergleicht die Angebote der Touristikunternehmen sorgfältiger oder krempelt die Urlaubsplanung vollkommen um. Das zeigt sich in dem aktuellen Trend, statt eines mehrwöchigen Sommerurlaubs mehrere Kurzreisen zu wählen. Darauf reagieren auch die Touristikunternehmen, die mit attraktiven Angeboten den Winter zur zweiten Hauptsaison machen wollen.
Wer schon im reiferen Alter und aus dem Berufsleben ausgeschieden ist, kann seinen Kurzurlaub in der kalten Jahreszeit termingemäß leichter planen als Familien, die auf die Schulferien angewiesen sind oder Berufstätige. Deshalb werden gerade die Älteren jetzt verstärkt zu einer wichtigen Zielgruppe der Touristikunternehmen, im Branchenjargon neuerdings "Best-Ager" genannt. Sie wird nur noch übertroffen von der Gruppe der "Non-Ager", den Alterslosen, die sich durch Wellness fit halten. Jedenfalls wissen wir, die uns die Knochen schon reichlich weh tun, wie wir nun katalogisiert werden. Bleiben wir also lieber bei der Bezeichnung, die uns - früher sagte man einfach "Alte" - doch schon genug hofiert: Senioren. Das klingt nach Lebenserfahrung und Altersweisheit, und die können wir noch mit einer Bildungsreise stärken. Diese Kurzurlaube sind gerade in der dunklen Jahreszeit von Reiz, vor allem die Städtereisen mit reichem Kulturprogramm. Sie sind nicht zu anstrengend und bieten sehr viel Interessantes und Erlebenswertes. Für die Jüngeren, die gerade aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, können sich endlich die ersehnten Traumreisen ohne Terminzwang verwirklichen. Und da sind die zumeist preisgünstigen Winterprogramme schon interessant.
Familien haben es, wie schon gesagt, da etwas schwieriger. Sie müssen rechtzeitig planen, vor allem sollten sie wegen der wenigen Ferientage keine weiten Urlaubsziele wählen. Für Berufstätige kann ein Kurzurlaub in der trüben Jahreszeit schon erholsam sein, eine verlängerte Atempause im Arbeitsalltag, in der man wieder Kräfte sammeln kann.
Und wenn jetzt ein Kurzurlaub nicht drin ist? Na, dann holt man sich die Touristikprospekte für das nächste Jahr und plant schon einmal die nächste große Reise, die für so manchen Leser, manche Leserin in die Heimat führen wird. Vielleicht zusammen mit Landsleuten, denn das gemeinsame Erleben und das Verbundensein sind Faktoren, die andere Reisen nicht bieten können. Und die Vorfreude auf diese "Heimkehr auf Zeit" erhellt auch den trübsten Wintertag.
Weihnachten verreisen? Wozu überhaupt das Fragezeichen? Heute drängen sich doch kurz vor dem Fest auf den Flugplätzen die Menschen in dichten Pulks, um noch irgendwo hinzujetten, zumeist in Richtung Süden. Wo dann der Heiligabend unter Palmen oder einer flitterbehangenen Pinie gefeiert wird und die Weihnachtslieder zu einem Medley wie aus einer Seifenoper werden. Aber daheim gibt s auch keinen Schnee, sondern Regenmatsch und Plastikweihnachtsmänner, die an Kaufhausfronten klimmen und die Kunden mit Weihnachtsweisen zugedröhnt werden. Das mag überspitzt klingen, ist aber so. Trotzdem scheiden sich hier die Geister.
So war es auch einmal bei uns. In Hamburg herrschte mit acht Grad Wärme und Regenschauern Aprilwetter, und die vorweihnachtliche Stimmung wollte einfach nicht aufkommen. Da rief ein Freund aus dem hohen Norden an: "Hier ist Schnee, feiert doch Weihnachten mit uns!" Zuerst ein Nein der Familie - uni sono. Dann ein erstes zaghaftes "Ach, Schnee!" des Sohnes. Erinnerung an die Heimat stieg auf, an die Weihnacht der Kindheit. Eine Brücke baute ein "Warum nicht?" des Vaters. Und dann fuhren wir. Im Hafen empfing uns schon Schneematsch. Aber je weiter wir in das Land hineinfuhren, desto weißer wurde es. Das Haus lag tief verschneit im Tal und verzauberte uns schon beim Eintritt mit dem Duft von braunen Kuchen und Glögg, dem Weihnachtspunsch. Es wurde eine Weihnacht wie aus dem Märchenbuch. Mit einem um den Christbaum tanzenden Julenisse, diesem fröhlichen Weihnachtsmann. Mit einem Gottesdienst in einer der uralten Stabkirchen. Mit einer Schlittenfahrt durch den Bergwald und über den zugefrorenen See. Es wurde das schönste Weihnachtsfest seit Jahren und für lange Zeit.
Man sollte also nie "nie" sagen. Aber sich überlegen, wohin und mit wem man fährt. Gerade ältere Menschen suchen einen vertrauten Kreis, mit dem man gemeinsam diese wohl innigsten Stunden des Jahres verbringt. Die für sie zurück in die Kindheit führen - zu keiner Zeit werden Erinnerungen so wach wie in diesen Festtagen. Wenn man das Fest nicht in der Familie oder im Freundeskreis verbringen kann oder will, aus welchen Gründen auch immer, sollte man sich rechtzeitig überlegen, ob nicht doch eine Weihnachtsreise das beste Geschenk ist, das man sich selber schenkt. Oder sich wünscht. Warum nicht eine Heimatreise zu Weihnachten oder Silvester verschenken? Auch die Jahreswende ist eine Reise wert. Nur rechtzeitig sollte man planen.
Kurzurlaub: Städtereisen werden immer beliebter. Die Mischung aus Kultur und Einkaufsbummel übt einen besonderen Reiz aus. Fotos (2): DTV
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