|
Eine neue Furcht vor Rußlands Stärke und Einfluß, sichtbar in der Energiepolitik, macht sich in Polen breit. „Nach fünf Jahren Nato-Zugehörigkeit und einem halben Jahr EU-Zugehörigkeit beginnen wir Polen uns wieder um die Landessicherheit zu sorgen“, schreibt die renommierte Polityka (Warschau) in einer Reportage „Der Iwan und die Erdgasrohre“. Diesmal schicke der Kreml keine Panzer mehr, um Polen gefügig zu machen, sondern wolle das Land mit Erdgaspipelines überziehen, so der Tenor. Es seien „käufliche“ (polnische) Politiker, „hintertriebene“ Geschäftsleute und Agenten der „Dienste“, die die Energieversorgung „in die Hände der Russen treiben wollen“, wie es aus dem Bericht des polnischen Ex-Abwehrchefs Zbigniew Siemiatowski hervorgeht. Das proamerikanische Flagschiff der polnischen Postkommunisten ruft indirekt die Regierenden zu mehr Wachsamkeit und zu weiteren Säuberungen von russophilen Leuten in den eigenen „Diensten“ auf. In den Schaltstellen der polnischen Energieversorgung kenne man die dunklen Hintermänner „maximal bis zur Stufe 5“. Polityka vermutet, daß die großen Unbekannten der „Stufe 6“ russische Geheimdienstagenten seien. Sie schreckten bei der Wahrung russischer Interessen selbst vor Mord nicht zurück. Der Einfluß der Russen auf die polnische Energieversorgung, primär mit Erdöl und Erdgas, müsse unbedingt zurückgedrängt werden, appelliert das einflußreiche Wochenmagazin. Man fürchte sich in Polen vor den Russen, denn sie seien „ziemlich undurchsichtig“. Statistisch gesehen ist Polen noch zu 65 Prozent von der Kohleversorgung abhängig (die zügig abgebaut wird), zu 22 Prozent vom Erdöl und zu zwölf Prozent von Erdgas (beides mit steigender Tendenz). Hier müsse unbedingt umgedacht werden, kritisiert das Magazin. Zwar biete Rußland Energie zu günstigen preisen, könne den Energiehahn aber jederzeit zudrehen und somit die Sicherheit des Landes gefährden. Inzwischen hat Staatspräsident Alexander Kwasniewski, der vom Kreml als „Bush-Marionette“ gehandelt wird, US-Sicherheitsspezialisten angefordert, die den Sicherheitsdienst, die Regierung, das Parlament (Sejm) und die Wirtschaft nach kremlfreundlichen Leuten durchforsten sollen. In diesem Zusammenhang ist auch der Orlen-Konzern ins Gerede gekommen, der unter anderem zahlreiche Tankstellen in Deutschland unterhält. Seinem Boß, Jan Kulczyk, der aus der polnischen Unternehmerschaft in Berlin kommt, wird vorgehalten, den Russen den Einstieg in das polnische Energieversorgungsgeschäft quasi durch die Hintertür ermöglicht zu haben. Jetzt befaßt sich eine Sonderkommission des Sejm mit der Affäre. Polnische Unternehmer aus West-Berlin sind schon früher in das Blickfeld von CIA und BND geraten, weil man ihnen vorwarf, verdächtige Kontakte zu sowjetischen Diensten unterhalten zu haben.
|
|