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Die Gedenkfeiern anläßlich der 250jährigen Wiederkehr für Johann Sebastian Bach (16851750) sind zwar zu Ende gegangen, aber ein umfangreich betexteter und bebilderter Band des Hänssler Verlages mit dem Titel "Johann Sebastian Bach. Sein Leben in Bildern und Dokumenten" hat sich mit bleibendem Wert dem Fundus an Literatur mannigfaltigster Art über den großen Musiker hinzugesellt. Autor des Bandes ist Hans Conrad Fischer, Philosoph, Germanist, Theaterwissenschaftler und Kunstgeschichtler, der schließlich auch sich der Musik zuwandte und vor allem für das Fernsehen filmische Inszenierungen über Mozart, Beethoven und Bruckner mit Brillanz zu schaffen wußte.
Fischer hat in seinem Buch dafür unter anderen Argumenten eine sehr treffende Begründung. Es ist der bis dahin vorherrschende Dienst an und für die Kirche, die Bach dazu befähigten. Der Kirchenmusiker jener Zeit sah in seiner Arbeit eine leistungsbezogene handwerkliche Tätigkeit. Überdies waren Bach und dessen weitverzweigte, im Thüringischen ansässige Familie eng mit dem Geist Martin Luthers verbunden, dessen protestantisches "ora et labora" ganz nach dem Geschmack von J. S. Bach war.
Sein Verhältnis zum lutherischen Geist mag ihm auch Stärke und aufrechten Gang gegeben haben, wenn er es beispielsweise mit Fürsten oder gar Königen wie in Dresden oder Berlin zu tun gehabt hatte.
Beim Besuch in Potsdam war auch Bachs ältester Sohn Friedemann zugegen, der begabteste aller Bach-Söhne, drei weitere seiner Söhne brachten es gleichfalls zu hohen musikalischen Ehren. Carl Philipp Emanuel, der zwei Jahrzehnte in Berlin wirkte, der Berliner Bach, Johann Christoph, der sanfteste von allen, der Kapellmeister in Bückeburg wurde, und Johann Christian, den es später nach London zog. Bemerkenswert ist dabei, daß die genannten Bach-Söhne alle in ihrem Komponierstil das Genie großer Nachfolger bereits andeuteten und nicht mehr die großen Handwerker im Dienst der Kirche waren wie der Vater. Carl Philipp Emanuel nahm vieles von der Genialität Beethovens vorweg, und Johann Christian, der Londoner Bach, zeigte nahe Verwandtschaft mit Wolfgang Amadeus Mozart.
Mit der Darstellung von Bachs Leben in Buchform und beigefügter CD ist Fischer ein ähnlich großer Wurf gelungen. Es handelt sich um einen Band, dessen klug zusammengestellte Bilderpracht im engen Zusammenhang mit dem ebenso leicht verständlichen wie tiefschürfenden Text steht.
Bach mit allen seinen menschlichen Schwächen hat rund 250 Kantaten, 280 Orgelkompositionen, zahlreiche Passionen, Oratorien sowie die sonst hinlänglich bekannten großen Werke zu Papier gebracht. Wie war eine solche Schaffenskraft trotz der beträchtlichen Kinderschar, die ihm seine erste Ehefrau und danach die durch das "Notenbüchlein" bekannt gewordene Anna Magdalena Bach bescherten, möglich? Und schließlich: wie war es möglich, nach dem anstrengenden Dienst als Thomaskantor in Leipzig derartiges zu bewältigen?
Für fast einhundert Jahre gerieten J. S. Bachs Werke in Vergessenheit. Erst als Felix Mendelssohn Bartholdy im 19. Jahrhundert ihn wiederentdeckte, begann danach eine Bach-Renaissance ohnegleichen. Daß die Werktreue vor allem in neuerer Zeit oft auf der Strecke blieb, verwundert wenig. Aber dennoch: die Faszination der Bachschen Musik, die oft einer Sphärenmusik gleichgesetzt wird, bleibt bestehen.
So hat denn J. S. Bach in allerjüngster Zeit eine weltumspannende Fähigkeit bewiesen: seine Oratorien haben zu den jeweiligen Anlässen die beiden Teile Deutschlands auf dem Bildschirm wenigstens für die Dauer der Musik zusammengebracht. Es war ein gesamtdeutscher Bach, wenn das Weihnachtsoratorium erklang. Hätte die Herrschaft in Ostberlin noch einige Jahrzehnte gedauert, wer weiß, ob aus ihm nicht ein DDR-Künstler geworden wäre. Es war also auch die Musik, die unser Volk wieder zusammenführte. Mag es deshalb auch kein Zufall gewesen sein, daß Bach seine Werke zumeist mit "SDG soli deo gloria" gezeichnet hat. Peter Twiel
Hans C. Fischer: Johann Sebastian Bach. Sein Leben in Bildern und Dokumenten mit CD. Verlag Hänssler, geb., 29,95 Mark, ISBN: 3-7751-3437-9
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