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Der Traum von Multi-Kulti stirbt" titelte am 11. Januar das "Hamburger Abendblatt". Eine erstaunliche Überschrift für ein Blatt, von dem man ansonsten ganz andere Töne gewohnt war. Die Lokalreporter hatten sich zur Feldstudie in den Stadtteil Veddel aufgemacht und kehrten offenbar reichlich ernüchtert in die Redaktionsstuben zurück.
Die Veddel dieser nicht eben elegante Name einer Elbinsel bezeichnet einen Stadtteil, dessen gut viereinhalb Tausend Bewohner zu 64 Prozent Ausländer sind. Wer mit der Bahn nach Hamburg kommt, sieht rechter Hand die tristen, dunkelroten Arbeiterwohnblöcke aus den 20er Jahren kurz vor Passieren der Norderelbe. Wer per Pkw über die Elbbrücken von Südosten an die Hansestadt heranfährt, erblickt sie links hinter großen Lärmschutzwänden.
Hier also sollte er Wirklichkeit werden, der "Traum" des großen Miteinanders. Und genau hier ist er vor aller Augen zerplatzt. Bezeichnend sei, so das "Abendblatt", was ein sechsjähriger Türke seinem türkischen Kaufmann erzählt habe, und zitiert den Knirps: "In der Schule haben wir einen verprügelt". Auf die Frage des Ladeninhabers nach dem Warum kommt ganz treuherzig die Anwort: "Na, weil der Christ war". Was ein Christ sei, wollte der Händler daraufhin wissen: "Das weiß ich nicht, aber der war auch Deutscher".
Was bei dem Grundschüler noch als üble Ausnahme beschrieben wird, sei mit Beginn der Vorpubertät schon traurige Normalität: Rassismus aller gegen alle Türken machten rassistische Sprüche über Ghanaer, Serben über Albaner, Deutsche über Türken, so die Zeitung. Und, möchte man vermuten, wohl auch in der jeweils entgegengesetzten Richtung.
Der Trend zur ethnischen Abgrenzung schreitet munter voran. Die Deutschkenntnisse der Ausländerkinder gehen seit Jahren kontinuierlich zurück. Das gleiche traurige Bild bietet sich beim Bildungsniveau: Bis 1992 habe der Anteil der Nichtdeutschen mit Schulabschluß stetig zugenommen, seitdem schrumpfe er wieder, so das "Abendblatt".
Die Behauptung, dies sei Folge von Diskriminierung und Ausgrenzung, erweist sich bei näherer Analyse schnell als vorgeschoben. Insbesondere die Türken schotten sich zunehmend selbst ab, bilden eine "Parallelgesellschaft". Damit gewinnen auch angestammte Wertvorstellungen wieder an Gewicht. Die große Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken stammt aus den unterentwickelten Regionen Anatoliens. Schulabschluß oder gar höhere Bildung gelten da meist nicht viel. Ein Mann ist, wer so früh wie möglich Geld verdient. Vor Generationen war dies in ärmeren Schichten der Deutschen kaum anders, nur daß damals für Un- oder Angelernte noch ein riesiger Arbeitsmarkt existierte. Den gibt es kaum noch, und er schwindet weiter. Was sich herausbildet, ist ein neues Subproletariat unter der (vornehmlich türkischen) ausländischen Bevölkerung ein idealer Nährboden für politische oder religiöse Fanatiker oder gewöhnliche Kriminelle. Denen kommen Jugendliche, denen eine bürgerliche Existenz wegen mangelnder Bildung versagt bleibt, gerade recht als unerschöpfliches Nachwuchsreservoir.
Entlarvend ist, was den Protagonisten von "Multikulti" zu dem selbstverschuldeten Desaster einfällt. Die Hamburger Grüne Antje Radcke (bundesweit noch als erfolglose Bundeschefin ihrer Partei im Gedächtnis) fordert Kindergartenpflicht ab vier Jahren. Der Vorsitzende der türkischen Gemeinden in Deutschland, Hakki Keskin, will das amerikanische "Busing"- (Busfahren-)Programm übernehmen. Seit den 70er Jahren karrten US-Behörden Kinder aus den Ghettos zu Schulen der besseren Gegenden und Mittelschicht-Sprößlinge in die Ghetto-Schulen. Auf diese Weise sollten Toleranz und Integration quasi erzwungen werden. Das Ergebnis war freilich eine Pleite. Die Eltern der betroffenen Mittelschichtkinder zogen einfach noch weiter fort von den Brennpunkten, bis sie für die "Busing"-Systeme unerreichbar wurden. Die sozialen Gegensätze nahmen zu statt ab, die räumliche Trennung der Bevölkerungsgruppen wuchs noch.
Der Keskin-Vorschlag kann die Konzeptlosigkeit der Multikulti-Protagonisten nicht verdecken. So wenig wie der Vorstoß des Grünen-MdB Cem Özdemir. Man solle einfach nicht mehr von "multikultureller" sondern von "interkultureller Gesellschaft" sprechen, fordert dieser plötzlich damit klar werde, daß die Völker nicht nebeneinander, sondern miteinander lebten. Motto: Wir behaupten einfach das Gegenteil der Realität, und schon sieht alles besser aus.
Das Mustereinwanderungsland USA gibt übrigens jährlich rund 130 Milliarden Dollar (letzte Zahl von 1995, heute umgrechnet knapp 270 Milliarden Mark) aus für "multikulturelle" Projekte nur damit der angesammelte multiethnische Konfliktstoff nicht zur Explosion reift. Elisa Wachtner
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