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Ein großer Teil der Menschheit bezieht ästhetische, ethische, kulturelle Eindrücke aus dem Kino. Kaum je hat eine Kunst in solcher Breite die Vorstellungswelt gerade der unteren Schichten genährt wie heute der Film", erkannte der Regisseur und Schauspieler Paul Wegener. Er wußte, wovon er sprach, war er doch bereits früh zu dem damals noch jungen Medium Film gelangt, "weil ich eine Idee zu haben glaubte, die mit keinem anderen Kunstmittel ausgeführt werden konnte", so Wegener in seinem Vortrag 1916 in Berlin. Ein Jahr später schließen sich in Berlin die wichtigsten deutschen Filmproduzenten zur Universum Film AG (Ufa) zusammen, die sich zur größten Filmproduktionsstätte Europas entwickeln sollte. Gut zehn Jahre später wird es in Berlin 400 Lichtspielhäuser mit zum Teil 1000 Sitzplätzen geben.
Der Ostpreuße Paul Wegener (1874 in westpreußischen Arnoldsdorf geboren und in Bischdorf, Kreis Rößel, aufgewachsen) berichtete auch von seinen ersten Gehversuchen im Medium Film: "Nach einigen mißglückten Films, über die ich lieber schweigen will, hatte ich meine Idee des Golem, dieser seltsam mythischen Tonfigur des Rabbi Löw aus dem Kreis der Prager Ghetto sage, und mit ihm kam ich noch mehr in das Gebiet des rein Filmmäßigen hinein ..."
Dem "Golem", 1914 fertiggestellt, folgte 1920 der Streifen "Golem wie er in die Welt kam" mit Wegener in der Titelrolle, mit Albert Steinrück, Ernst Deutsch und Otto Gebühr. Dieser Film machte Paul Wegener weit über Deutschlands Grenzen hinaus berühmt. Als Wegbereiter des künstlerischen Films wird er auch heute noch geschätzt. Leider wurde dieser Streifen in dem jetzt bei Prestel herausgekommenen, ansonsten aber hervorragenden Bildband Film! Das 20. Jahrhundert (Hrsg. Peter W. Engelmeier. 192 Seiten mit etwa 350 Abb., davon etwa 180 in Farbe, geb. mit farbigem Schutzumschlag, 49,80 DM) lediglich kurz erwähnt.
Das Herz eines jeden Filmfreunds wird jedoch höher schlagen, blättert er nur in dem großzügig ausgestatteten Band. Auf je einer Doppelseite werden 84 berühmte und bedeutende Filme des 20. Jahrhunderts vorgestellt, ihre Regisseure (mit kurzem Lebenslauf), ihre Darsteller, ihr Inhalt. So manches Mal wird auch ein Blick hinter die Kulissen gewagt. Ein ausführliches Register ergänzt diesen Spaziergang durch die Filmgeschichte. Die bunte Reihe beginnt mit Charlie Chaplins "The Kid Der Vagabund und das Kind" aus dem Jahr 1920 und reicht bis zum oscargekrönten Streifen "American Beauty" aus dem Jahr 1999. Dazwischen wird der Leser an unvergessene Kinostunden erinnert, an Clark Gable und Vivian Leigh in "Vom Winde verweht", an Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann in "Casablanca", an die Dietrich und Emil Jannings im "Blauen Engel", an Grace Kelly und Gary Cooper in "High Noon". Aber auch an Anthony Perkins in Hitchcocks "Psycho" oder an Peter Lorre in "M Eine Stadt sucht einen Mörder", übrigens der erste Tonfilm des Wieners Fritz Lang (18901976), der mit gleich zwei Filmen ("Metropolis") in dem Band vertreten ist. Die 51. Filmfestspiele in Berlin werden den Regisseur im Februar 2001 mit einer Retrospektive seiner Filme würdigen. Damit kehrt der Wiener Lang an den Ort seiner großen Erfolge zurück, wenn auch nur mit seinen Filmen.
Überhaupt ist es erstaunlich, wie viele Österreicher in der Filmbranche erfolgreich waren. Der Journalist und Buchautor Georg Markus schreibt in seinen Erinnerungen an die Lieblinge des Publikums Die ganz Großen (Amalthea, Wien und München. 336 Seiten, zahlr. sw Abb., geb. mit farbigem Schutzumschlag, 39,90 DM): "Auf dem 480 000 Quadratmeter großen Ufa-Gelände in Berlin-Neubabelsberg entstanden neben Unterhaltungsfilmen auch Klassiker wie Dr. Mabuse, Madame Dubarry, Metropolis oder M eine Stadt sucht einen Mörder. Gezeigt wurden sie in mehr als 120 Ufa-Filmpalästen und -Kinos in ganz Europa. Österreicher wie Willi Forst, Paul Hörbiger, Luise Ullrich oder Rudolf Prack zählten zur Ufa-Elite. Und Wiener Regisseure haben in Berlin Filmgeschichte geschrieben: Neben Josef von Sternberg, der die Dietrich entdeckte, auch Fritz Lang, Billy Wilder und G.W. Pabst ..."
Es sind sehr persönliche Porträts von Schauspielern wie Paula Wessely, Josef Meinrad, den Brüdern Hörbiger, Rosa Albach-Retty, aber auch von Curd Jürgens, Johannes Heesters oder Heinz Rühmann, die Georg Markus mit feiner Feder zeichnet. Einfühlsam schildert er den Menschen hinter der Maske, vergnüglich, ohne indiskret zu sein. Eine Eigenschaft, die im heutigen Blätterwald nicht sehr häufig zu finden ist. Peter van Lohuizen
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