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Was reden EU-Politiker, wenn sie unter sich sind? Das erfahren wir so gut wie nie - und sollen es wohl auch nicht. Der dänische TV-Dokumentarfilm "Alles Banditen" ließ den Zuschauer nun endlich, zumindest zaghaft, hinter die eine oder andere Kulisse blicken.
Ende vergangenen Jahres rang die Europäische Union mit zehn osteuropäischen Ländern um die Bedingungen ihrer Aufnahme. Dänemark hatte turnusgemäß den EU-Ratsvorsitz, also mußte der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen die Verhandlungen führen. Rasmussen hatte einem dänischen Journalisten erlaubt, ihm ein unsichtbares Mikrophon ans Revers zu heften, so daß mancher sonst unentdeckt gebliebene Satz jetzt öffentlich gemacht werden konnte. Die von Rasmussen selbst autorisierte Ausbeute schob das NDR-Fernsehen am 27. Mai um 23.00 Uhr kurzfristig ins Programm. Nun ist Brüssel stocksauer auf die Dänen.
Und Berlin wohl nicht minder. Peinliche Details über das Gebaren von Kanzler Schröder und Außenminister Fischer kamen ans Licht. Mitten in den Verhandlungen mit Polen, das besonders hartnäckig auf mehr Geld drängte, stürmte Schröder an die Öffentlichkeit und posaunte Details des schwebenden Verfahrens heraus. Ziel: Er wollte die sich anbahnende Einigung als seinen Erfolg verkaufen. Derweil hatte Rasmussen noch nicht einmal zu Ende verhandelt. Fassungslos verfolgten die Dänen Schröders Auftritt am Bildschirm. Fast hätte der eitle Kanzler so noch alles umgeschmissen. An anderer Stelle amüsiert sich der dänische Außenminister, sein deutscher Kollege Fischer habe in einer einzigen Sitzung drei verschiedene Meinungen zu einem EU-Beitritt der Türkei gehabt. Erst sei er ganz dagegen gewesen, dann wollte er eine Art Sonderstatus für die Türken. Danach gefragt, wie der aussehen solle, meinte Joschka Fischer schließlich, erst einmal gar nichts mehr zu der Sache zu sagen.
Ungewollt enthüllt der Film indes auch, wie so manche hanebüchene Fehlentscheidung der EU zustande kommt. Genauer: wie es sein kann, daß auf 25 Mitglieder erweitert wird, ohne daß die inneren Probleme der schon existierenden EU der 15 überhaupt gelöst sind.
Dem dänischen EU-Ratspräsidenten ging es dem Film zufolge bei seinen Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten nur um zwei Dinge: daß alle erfolgreich aufgenommen werden und daß alles im engen Zeitrahmen der Kopenhagener Konferenz gelingt. Manche geschichtsträchtige Verhandlung bekam gerade mal zehn Minuten eingeräumt. "Dann müssen die wieder draußen sein, sonst kommen wir nicht durch!", hören wir Rasmussen mehrfach insistieren. Er zielte augenscheinlich vor allem darauf ab, als Ratspräsident zu glänzen und nicht als derjenige dazustehen, der die EU-Erweiterung in den Sand gesetzt hat. Dies buchstäblich um jeden Preis, den er den Nettozahlern, also insbesondere Deutschland, abringen kann.
Wer diesen Film gesehen hat und sich nicht vom smarten Auftreten des dänischen Hauptdarstellers hat blenden lassen, dem gelangen auf diese Weise ernüchternde Einblicke in die Mechanismen der Entscheidungsfindung der EU. Es ist dieser Widerspruch zwischen elendem Kleinklein der Bürokraten und der Tatsache, daß trotz aller Detailhuberei am Ende die Dinge doch wieder übers Knie gebrochen werden, der jenen Berg ungelöster Probleme aufgebaut hat. |
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