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Tod in Swinemünde: Weit über 20 000 Flüchtlinge wurden 1945 von Alliierten-Bombern getötet

 
     
 
Es war am 12. März 1945, also 67 Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als 400 englische und amerikanische Bombenflugzeuge das kleine Ostseebad Swinemünde angriffen. 1500 Tonnen Spreng- und Brandbomben wurden abgeworfen. Ein unvorstellbarer Feuersturm ging auf den kleinen Ort nieder. Dabei ging es augenscheinlich nicht um die Vernichtung militärischen Potentials, denn die im Hafen von Swinemünde an den Kaianlagen liegenden Schiffe der Kriegsmarine hatten dreißig Minuten früher ihre Liegeplätze räumen müssen, um Platz zu schaffen für die Armada von 14 kleinen Bäder- und Küstenfrachtschiffen. Diese Schiffe, die einem stärkeren Seegang der Ostsee kaum gewachsen schienen, waren überladen mit Flüchtlingen aus Stolpmünde und Pillau.

Der Luftangriff setzte ein, als das Ausladen der Flüchtlinge gerade begonnen hatte. Eine Panik brach aus, weil für die schon an Land befindlichen Menschen nicht genug Schutzräume vorhanden waren. Darüber hinaus wurden die Transportschiffe getroffen und versanken zum Teil sehr schnell. Es handelte sich um die Küstenmotorschiffe "Jasmund" (276 BRT), "Hilde" (491 BRT), "Ravensburg" (1069 BRT), "Heiligenhafen" (1923 BRT) und "Tolina" (2000 BRT). Dazu kamen der Frachtdampf
er "Andros" (3048 BRT), der mit Flüchtlingen aus Pillau kam, und der Passagierdampfer "Cordillera" (12 055 BRT), der als Wohnschiff im Hafen lag.

Die auf Reede liegenden Zerstörer und Torpedoboote wurden von den alliierten Bombern nicht angegriffen. Das läßt den Schluß zu, daß dieser Angriff ganz bewußt auf die Flüchtlingsschiffe gerichtet war. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben die westlichen Kriegsgegner Deutschlands über Funkaufklärung von dem Ziel der Fluchtschiffe erfahren und konnten so den Angriffszeitpunkt genau festlegen. Eben zu der Zeit, als die Schiffe festgemacht und bewegungsunfähig waren. Über die Dauer des Luftangriffes liegen unterschiedliche Angaben vor. Man kann aber davon ausgehen, daß die Notizen des Mitarbeiters der Hafenmeisterei, Theo Berg, richtig sind. Er hatte notiert, daß der Bombenhagel und der Beschuß der unbewaffneten Frauen und Kinder mit Bordwaffen 70 Minuten dauerte.

Die Stadt wurde in den 70 Minuten vernichtet. Überall loderten Brände, überall lagen Tote, meist Kinder und Frauen, denn die Flüchtlingsschiffe durften Männer nicht an Bord nehmen. So waren die von Tieffliegern beschossenen Trecks, die nach Swinemünde einfahren wollten, in den meisten Fällen auch nur von Frauen und Kindern begleitet. Auch hier lagen neben den toten Pferden nur tote oder verwundete Frauen und Kinder.

Die Toten des Angriffs auf Swinemünde mußten in Massengräbern beigesetzt werden. Die Gefahr von Seuchen war zu groß. Deshalb sind auch nur wenige der Toten identifiziert worden. Auch ihre genaue Zahl ist nicht bekannt. Vor 1989 stand auf dem Golm, einem 69 Meter hohen Hügel unmittelbar vor der nunmehrigen Grenze zu Polen, ein Mahnmal. Der Text dieser Gedenkstätte wies 26 000 durch Bomben und Bordwaffen getötete Zivilisten und 9000 Soldaten aus.

Dieser Angriff auf aus den Ostgebieten vor den Greueltaten der Sowjet-Armee flüchtende Frauen und Kinder ist ein Kriegsverbrechen, das nie geahndet werden wird. Genauso wie bei dem Angriff auf die nicht befestigte Stadt Dresden, vier Wochen zuvor, galten die Spreng- und Brandbomben den Flüchtlingen aus Schlesien und Ostdeutschland. Beide Angriffe waren Willkürakte, die mit dem militärischen Niederringen eines Kriegsgegners nichts zu tun hatten. Für die militärische Führung der Gegner Deutschlands dürfte sowohl am 14. Februar als auch am 12. März 1945 die bevorstehende Kapitulation erkennbar gewesen sein. Helmut Kamphausen

 
     
     
 
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