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Welche einprägsamen, schönen Bilder wußte er mit dem Wort zu zeichnen! Bilder von sommerlich weiten Feldern, vom behaglichen Leben in der Sommerfrische. Behaglich? Nun, so mancher Strauß war da zu fechten für die jungen Adelssprößlinge, für heranwachsende junge Mädchen, die der ersten Liebe begegneten, für unglücklich verheiratete Damen, die dem Drängen eines Verehrers nachgeben. Hinter idyllischer Fassade verbergen sich oft unerfüllte Sehnsüchte, Krisen und Spannungen, und Eduard Graf Keyserling wußte sie wie kaum ein anderer zu schildern. Seine Romane "Fräulein Rosa Herz", "Dumala", "Wellen", "Fürstinnen", "Abendliche Häuser" gehen damals wie heute zu Herzen. Kein Wunder, wenn sich auch in unserer Zeit Verleger finden, so manchen Text des Balten wieder aufzulegen.
Erst kürzlich erschien in der DVA-Reihe "Manesse Bibliothek der Weltliteratur" der Band Schwüle Tage (Nachwort Martin Mosebach, 448 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, 22.90 Euro) mit der gleichnamigen Erzählung sowie den Titeln "Bunte Herzen", "Nicky" und "Am Südhang". In einzigartiger atmosphärischer Dichte zeigt Keyserling die versinkende Welt des Adels vor dem Ersten Weltkrieg. Seine traumhaft schönen Bilder stehen in Kontrast zum oft dramatischen Geschehen. So auch in der Dreiecksgeschichte Harmonie, die der Schauspieler Wolf Frass für den Audiobuch Verlag auf CD eingespielt hat (etwa 75 Minuten, 5 Euro).
Geboren wurde Eduard Graf Keyserling vor 150 Jahren auf Schloß Paddern bei Hasenpoth in Kurland (am 18. Mai). Er besuchte die Schule in Hasenpoth und das deutsche Gymnasium in Goldingen, um dann das Studium (Jura, Philosophie, Kunstgeschichte) in Dorpat aufzunehmen. Eine "Lappalie, eine Inkorrektheit" beendete abrupt dieses Leben; Keyserling war in der Gesellschaft geächtet, ging nach Wien und zog sich dann auf die mütterlichen Güter zurück, die er bis 1895 verwaltete. Mit zwei Schwestern lebte er schließlich in München, wo er in der Schwabinger Bohème verkehrte. Frank Wedekind, mit dem er sich Wortgefechte lieferte, Lovis Corinth, der ein vortreffliches Porträt des Balten malte, oder Max Halbe trafen sich mit ihm im Café Stehanie oder im Simplicissimus. Sein treffsicherer, oft auch boshafter Humor war legendär. Dabei hatte Keyserling kaum etwas zu lachen, war er doch todkrank und seit 1908 erblindet. Die späteren Werke mußte er seinen Schwestern diktieren. Als er am 28. September 1918 in München starb, betrauerte man den "baltischen Fontane". |
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