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Obwohl die konservative Regierung Frankreichs stets betont, daß sie die privaten Initiativen der Wirtschaft ermutigen will, bleibt es an der Seine, sobald eine Krise auftaucht, beim Staatskapitalismus. Das belegt unter anderem die jüngste Krise beim Prestigeunternehmen Alsthom. Der Konzern, der weltweit mehr als 120.000 Arbeitnehmer beschäftigt, ist besonders für den Bau der Hochgeschwindigkeitszüge TGV bekannt und auch maßgeblich in Schiffbau und Atomenergie aktiv.
Einen möglichen Konkurs der Gruppe vor Augen, haben die Finanzbehörden von "Bercy" (dem Finanz- und Wirtschaftsministerium) beschlossen, 31,5 Prozent des Kapitals von Alsthom zu übernehmen. Das bedeutet, daß die Staatskasse 300 Millionen Euro in die Kassen des Konzerns einspritzen wird, was natürlich die Brüsseler Kommission als Hüterin des Wettbewerbs in Europa nicht begeistert. Schon bei anderen Konzernen der öffentlichen Hand wie France Telecom, Electricité de France oder dem Computerhersteller Bull hatte der französische Staat massiv geholfen, was Empörung sowohl in Brüssel als auch bei privaten Konkurrenten verursachte. In der führenden Wirtschaftszeitung Les Echos, die regelmäßig die Stimmung der Finanz- märkte widerspiegelt, war aus der Feder eines Wirtschaftsexperten zu lesen, daß Frankreich - im Gegensatz zu Großbritannien - die Wende zur "Dienstleistungsgesellschaft" noch nicht vollzogen hat und an den etablierten Industriekomplexen festhält. Die entgegengesetzte Meinung vertrat beim Privatwirtschaftssender BFM Yves Gueno, ehemals für die französische Planwirtschaft verantwortlich. Er betonte mit Nachdruck das Recht jedes großen Staates, seine nationale Industrie mit tiefgreifenden Finanzmaßnahmen zu verteidigen. Nicht nur, weil private ausländische Industrie-Konzerne wie Siemens an der Übernahme ganzer Sparten von Alsthom interessiert sind, sondern auch, weil das Unternehmen im Schiffbau in Frankreich führend ist, hat die ganze Angelegenheit für die Regierung Raffarin große Bedeutung. Alsthom ist Eigentümer der "Chantiers de l Atlantique". Anfang Juni wurde eine neue Firma gegründet, durch welche die "Direction des Constructions Navales" in diesem Zusammenhang den Militärschiffbau von Alsthom übernehmen und somit in Europa eine größere Rolle spielen dürfte.
Dies bezeugt das Interesse der neuen Firma an dem deutschen Unternehmen Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW), dem weltweit führenden Hersteller konventioneller U-Boote. Den Beiträgen der französischen Presse und den Aussagen der französischen Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie kann man entnehmen, daß Paris auf Berlin Druck ausübt, damit die "Direction des Constructions Navales" einen Anteil von HDW übernehmen kann. Hingegen dürfte Bundeskanzler Schröder einer Übernahme von HDW durch Thyssen-Krupp den Vorzug geben.
Auf jeden Fall verschweigen amtliche Kreise in Paris nicht, daß der Staatskapitalismus nach französischer Art von ihnen als Mittel betrachtet wird, ein "Europa der Verteidigung" aufzubauen, das auch dem Prestigebedürfnis der Pariser Politik Rechnung trägt. Ob die Brüsseler Kommission und die europäischen Partner sich damit anfreunden können, bleibt weiter offen.
U-Boot-Bau: Von der norddeutschen HDW-Werft werden U-Boote in internationalem Auftrag gebaut. Hier der israelische Typ "Dolphin" auf der Jungfernfahrt im Jahr 1999 vor Tel Aviv. |
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