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Das Bröckeln des Mythos von der unbesiegbaren Armee, das bereits während des gerade zu Ende gegangenen Libanonkrieges in Israel eingesetzt hat, hat nicht nur zu einer Verunsicherung unter den Israelis selbst, sondern auch zu einer Vertrauenskrise im Hinblick auf das Oberkommando der Streitkräfte und die Regierung Olmert geführt. Ein erster Hinweis darauf, daß die Effizienz des Militärs im Kampf gegen die Hisbollah -Milizen nicht wie sonst zum Tragen kam, war der Personalwechsel an der Spitze der Militärführung vier Wochen nach Beginn des Krieges. Generalstabschef Dan Halutz betraute seinen Stellvertreter, Generalmajor Moshe Kaplinski, mit der Leitung der Militäroperationen. Kaplinski löste den Kommandanten des Militärbereichs Nord, Generalmajor Udi Adam, ab. Offiziell wurde zwar zurückgewiesen, daß dieser Personalwechsel eine Reaktion auf die wachsende Kritik am Verlauf der Offensive im Libanon sei; der israelische Militärexperte Amir Oren ließ aber laut der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ durchblicken, daß Adam abgelöst wurde, weil er zu „langsam und vorsichtig“ agiert habe. Ähnlich äußerte sich ein anderer Experte, nämlich Zeev Schiff; er bewertete diesen Wechsel in der israelischen Zeitung „Ha’aretz“ als Hinweis darauf, daß die israelische Militärführung in „ernsthaften Schwierigkeiten“ stecke. Bezüglich der Gründe für die Ablösung von Adam gibt es allerdings auch Hinweise darauf, daß dieser abgelöst worden sein könnte, weil er die Regierung dafür kritisierte, ihn den Krieg nicht so führen zu lassen, wie dieser angeblich vorbereitet gewesen sein soll. Laut einigen israelischen Medien sollte es wohl ursprünglich ein kurzes intensives Bombardement des Libanons geben, dem dann eine massive Offensive am Boden und vom Meer aus hätte folgen sollen. Einem Artikel des US-Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh für den „New Yorker“ zufolge, soll die Regierung Bush an der Ausarbeitung dieses ursprünglichen Feldzugplans, der angeblich als eine Art Präludium für einen US-Angriff auf die iranischen Atomanlagen dienen sollte, maßgeblich beteiligt gewesen sein.
Die Personalie Adam liest sich heute wie eine Art Vorspiel zu der massiven Kritik, die direkt nach dem Waffenstillstand eingesetzt hat und Ende letzter Woche mit der Kritik einiger für den Libanonkrieg mobilisierten israelischen Reservisten einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Deren Kritik, vorgetragen in einem offenen Brief an Verteidigungsminister Amir Peretz und Generalstabschef Dan Halutz, fiel laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP unmißverständlich aus. Sie warfen der Armeeführung Unentschlossenheit, schlechte Vorbereitung und mangelnde Professionalität vor. Vor allem die Unentschlossenheit der Armeeführung wurde mit scharfen Worten angegriffen; diese nämlich „führte zu verlängerten Einsätzen auf feindlichem Territorium ohne operativen Sinn und aus unprofessionellen Erwägungen heraus“. Der Brief bleibt aber nicht bei der Kritik an der Armeeführung stehen, es wird auch eine Untersuchung der Entscheidungen von Regierungschef Olmert und anderen Ministern gefordert. Brigadegeneral Jossi Himan räumte bereits einmal kleinlaut ein, daß sich die Militärführung der „Arroganz“ schuldig gemacht und die Hisbollah-Milizen unterschätzt habe.
Aufschlußreich an dem offenen Brief der Reservisten ist weiter, daß hier die Vernachlässigung der Bodentruppen sowie mangelndes Training und mangelnde Ausrüstung beklagt wird. Auch die Tatsache, daß viele Reservisten nur einseitig trainiert würden, wird angesprochen: „Unsere Bodentruppen waren nur auf den Krieg gegen die Palästinenser vorbereitet.“
Erschüttert worden ist darüber hinaus auch das Vertrauen in die Luftwaffe, die es trotz ihrer hochmodernen Technologie nicht vermochte, die Guerillas der Hisbollah entscheidend zu schwächen.
Scharfen Gegenwind ist dieser Tage auch Verteidigungsminister Amir Peretz ausgesetzt, der instinktlos einen seiner Vertrauten mit der Leitung einer internen Ermittlungskommission zu den Vorgängen während des Libanonkriegs beauftragen wollte, was die Kritik an seiner Person erst recht anschwellen ließ.
Nicht viel besser steht Generalstabschef Dan Halutz da, über den durchsickerte, daß er sich unmittelbar vor Kriegsbeginn mit dem Verkauf eines Teils seiner Aktien beschäftigt hat. Nicht wenige fordern deshalb seinen Rücktritt.
Ob Untersuchungen auch die Verweigerung des Kriegseinsatzes im Libanon erfaßt, die es seitens von Soldaten und Reservisten zu Hunderten gegeben haben soll, ist nicht bekannt. Nicht wenige dieser Verweigerer deuteten an, daß dieser Krieg nicht den Werten entspräche, für die sie erzogen worden seien. Ein großer Teil von ihnen ist entweder aus der Armee ausgeschlossen worden oder mußte Haftstrafen antreten. In Israel erstreckt sich das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern, fast nur auf Frauen.
Festzuhalten bleibt, daß von der Einmütigkeit, mit der der überwältigende Anteil der Israelis sonst im Ernstfall hinter ihrer Regierung stand, diesmal keine Rede sein kann. Zwar wird der Libanonkrieg bisher nur von wenigen offen in Frage gestellt, ansonsten aber sehen sich Regierung und Armee einer ungewohnt heftigen Debatte ausgesetzt, die alle Grundfesten erschüttert. |
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