|
Der Kommentar eines Leipziger Staatsanwalts zu dem von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries angestrebten "Gesetz zur Regelung der Verständigung in Strafverfahren" ist vielsagend: "Es gibt Wichtigeres!"
Es geht um die bisher noch nicht gesetzlich geregelten Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft beziehungsweise Gericht und Verteidigung im Sinne von Strafminderung gegen Geständnis.
Das Gesetz soll die gängige und vom Bundesgerichtshof wiederholt für zulässig erklärte "Deal"-Praxis mit mehr Rechtssicherheit und Transparenz versehen sowie die Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten anregen.
Damit sind nicht die klassischen Verfahrenseinstellungen gegen Wiedergutmachungs-Auflagen nach § 153 a Strafprozeßordnung gemeint, die man als häufiges Ergebnis von Straßenverkehrsdelikten kennt.
In der Praxis ist das "Deal"-Verfahren vor allem bei gemeinschaftlich begangenen Straftaten relevant und wird gerade dann angewandt, wenn wegen der notwendigen Beweisaufnahme durch zahlreiche Zeugen eine lange Verfahrensdauer mit offenem Ergebnis zu erwarten ist und die zu erwartende Gesamtstrafe dabei überschaubar bleibt.
Beispiel: Vier Vorbestrafte brechen in Serie in zehn Kioske ein, um an Zigaretten zu kommen. Beim letzten Mal werden sie erwischt und festgenommen. Die Tatverdächtigen streiten später alles ab, da sie wegen der Vorstrafen mit härteren Konsequenzen rechnen. Die Beweislage ist aus der Sicht der Staatsanwaltschaft nur für den letzten Fall eindeutig. Das Gericht sieht sich einem aufwendigen und mehrere Sitzungen in Anspruch nehmenden Beweisaufnahmeverfahren gegenüber. Für die Angeklagten besteht die Gefahr, daß das Gericht Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren verhängt, was eine Bewährung ausschließen würde. Die Beteiligten einigen sich nach umfangreichem Geständnis der Angeklagten auf ein Strafmaß von jeweils 20 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Die Sache ist damit zeitnah und relativ kostengünstig vom Tisch, die Angeklagten sind zum zweiten Mal strafrechtlich angezählt und eine Revision wegen Verfahrensfehlern muß nicht befürchtet werden. Alle Beteiligten - mit Ausnahme der Kioskbesitzer - sind zufrieden.
Solche "Deals" sind seit Jahren üblich und nach gängiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Dessen Maximen, darunter die Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes, die Glaubhaftigkeit des Geständnisses, das Verbot der erpressten Absprache sowie das Härteverbot bei Geständnisverweigerung wurden nun noch einmal von Ministerialbeamten in Gesetzesform gegossen.
Das kritisieren Opfer von Straftaten, und zwar aus generellen Erwägungen. Die Absprachen höhlten den Sanktionsgedanken des Strafrechts aus, lassen Opferverbände verlautbaren, und das Gesetz verkomme zur bloßen Verhandlungsmasse.
Doch auch die Juristen im Deutschen Richterbund stehen der Verständigung im Strafprozeß mit gemischten Gefühlen gegenüber.
Das Problem sei bereits in der Strafprozeßordnung enthalten. Gute Verteidiger seien in der Lage, die Gerichte durch eine kaum überschaubare Zahl von prozeßtaktischen Anträgen zu lähmen und so Prozeßfehler zu provozieren. Da drohe stets das Damoklesschwert der Revision.
Hinzu kommen Personalnotstände bei allen Behörden der Strafjustiz. Die "Deals" sind somit Symptome einer schwächelnden Justitia.
Der Vorstoß des Justizministeriums hat nun die Schwachstelle des deutschen Strafrechts offengelegt: das Strafprozeßrecht. |
|