|
Die deutsche Wirtschaftspolitik wird in Österreich seit eh und je mit größter Aufmerksamkeit verfolgt, denn was sich bei dem mit Abstand bedeutendsten Wirtschaftspartner des Landes abspielt, hat zwangsläufig große Auswirkungen: Wenn es "draußen" bergauf geht, beflügelt das auch das inländische Wachstum, und wenn es kriselt, leiden die Erlöse aus Expo rt und Fremdenverkehr. ("Draußen" - von einstmals "draußen im Reich" - ist immer noch der übliche Ortshinweis auf Deutschland. Im Unterschied zu "drüben" für Schweiz und Ungarn, "drunten" für Italien und den Balkan oder "droben" für die Tschechei.)
Bei oberflächlicher Betrachtung sind zwischen der Wirtschaftspolitik von Rot-Grün in Berlin und von Schwarz-Blau in Wien kaum Unterschiede zu merken, denn die Sach-zwänge - Hochlohnland, EU-Nettozahler, Überalterung, Überbüro-
kratisierung, überstrapaziertes Sozialsystem - sind gleich, und der Spielraum für nationale Maßnahmen wird durch EU und Euro immer kleiner. Die heutigen Probleme in Deutschland sind also keineswegs nur der linken Koalition anzulasten, wohl aber hat vor allem sie zu verantworten, daß das Land als Standort für Betriebe immer mehr ins Hintertreffen gerät.
In Österreich hingegen sind Arbeitslosigkeit und Streikfreudigkeit - man möchte fast sagen "traditionellerweise" - merklich niedriger. Und wenngleich das nicht allein der Regierung gutzuschreiben ist, so kann die ÖVP-FPÖ-Koalition auf jeden Fall Maßnahmen zur Verbesserung des Wirtschaftsstandorts für sich reklamieren: Es gibt Ansätze zur Verwaltungsvereinfachung, insbesondere bei Betriebsgründungen. Die österreichische Betriebsansiedelungs-Agentur ABA betreibt Werbung im Ausland und hilft bei der Überwindung bürokratischer Hürden. Und als deutlichstes Signal an die Wirtschaft kam es zu einer Senkung der Steuerbelastung für Betriebe. Das wurde primär notwendig, um das Abwandern von Betrieben in die neuen EU-Mitgliedsländer zu verhindern, hat aber ebenso eine Sogwirkung auf Hochsteuerländer wie Deutschland.
Die Flucht von Betrieben aus Deutschland einerseits und die aktive Standortpolitik Österreichs andererseits haben, was wenig verwunderlich ist, in jüngster Zeit zu gewissen Irritationen im bilateralen Verhältnis geführt. Vor allem die Bayern, die eigentlich am allerwenigsten etwas dafür können, sind mit dem Abwandern von Betrieben nach Österreich konfrontiert und greifen ihrerseits zu fragwürdigen Methoden. So etwa wurde verlangt, die ABA solle bei ihrer Werbung einen Abstand von 70 Kilometern zur Grenze, einen "Cordon sanitaire", einhalten. Umgekehrt melden bayrische Firmen, die in Österreich investiert haben, sie seien als "Landesverräter" von schikanösen Prü- fungen durch die deutschen Finanzbehörden betroffen. Besonders Wirtschaftsminister Wisheu äußerte heftige Kritik an Österreich, während in den Medien der Bayerischen Industrie- und Handelskammer Gegendarstellungen der ABA - sogar als Inserat! - verweigert wurden.
Die Wirtschaft ist natürlich keine Einbahnstraße, und so haben auch die Österreicher ihre Probleme mit der deutschen Konkurrenz - kurioserweise, wo man sie am allerwenigsten vermuten würde: die schlechte Auftragslage auf dem Bausektor in Deutschland veranlaßt kleinere Betriebe, als Billigstbieter in Österreich aufzutreten. Da Billigstangebote im Bau zwangsläufig auf Kosten der Qualität gehen, haben sie zwar bei privaten Auftraggebern keine Chance. Öffentliche Bauherren sind jedoch an das Billigstprinzip gebunden, und heimische Firmen gehen leer aus.
Unvergeßlich bleibt auch das im elitären Absprachegremium der "Bilderberger" eingefädelte Geschäft um die größte österreichische Bank: die Bank Austria wurde durch einen Aktientausch im Verhältnis eins zu eins von der HypoVereinsbank (HVB) übernommen. Doch dann sackten die Aktien der neuen "Mutter" plötzlich auf ein Zehntel ihres Wertes ab, und die einstigen Aktionäre der Bank Austria erlitten Milliardenverluste. Um so mehr muß es verärgern, wenn die HVB jetzt bei ihrer hochprofitablen Tochter Einsparungen vornimmt und deren lukrative Beteiligungen zur Abdeckung der eigenen Verluste verhökert. Daß die Kirch-Sender, eine Hauptursache der HVB-Verluste, mittlerweile einem Herrn Saban gehören, ist erst recht nicht tröstlich, läßt aber erahnen, welche "höheren Mächte" die Fäden ziehen und Zwietracht zwischen Bruderstaaten säen. Richard G. Kerschhofer
|
|