A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Vineta-Forschung:

 
     
 
Wenn dieser Tage ein mit Sonargeräten für Unterwasserforschung ausgestattetes Schiff im Barther Bodden an der Ostsee kreuzt, handelt e sich nicht um eine der üblichen Routineuntersuchungen. Vielmehr geht es dann u nichts Geringeres als um die mögliche Wiederentdeckung der bisher sagenumwobenen un offenbar untergegangenen Großstadt Vineta, die oft auch als "Atlantis de Ostsee" bezeichnet wird.

Den Anstoß für das besondere Unternehmen mit Hilfe der Sonartechnik hat am Ende die Forschungsarbeit zweier Berliner Wissenschaftler ergeben, die nach dem Erstellen eine ebenso mühevollen wie überzeugenden Indizienkette die Region um die kleine Stadt Bart mit dem gleichnamigen Bodden in Mecklenburg-Vorpommern
für eine ehemalige Odermündun und damit für den Ort hält, an dem Vineta untergegangen sein soll. Es muß also, das is eine der wesentlichen Erkenntnisse der beiden Forscher, außer den heutigen dre Mündungen der Oder in die Ostsee vor rund 1000 Jahren eine vierte Odermündung gegebe haben, deren Zufluß später verlandete.

Ihre Kenntnisse und Schlüsse zum Thema haben Dr. Klaus Goldmann, Oberkustos de Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin, und Günte Wermusch, Lektor und freier Publizist mit dem Spezialgebiet etymologische Fragen aus de ehemaligen Ost-Berlin, kürzlich in einem im Verlag Lübbe erschienenen Band "Vinet – Die Wiederentdeckung einer versunkenen Stadt" veröffentlicht.

"Wir sind absolut sicher, daß wir die Lage von Vineta gefunden haben", mein Goldmann im Gespräch und ist sich wie sein Partner Wermusch gleichwohl bewußt, da damit auch ein heftiger Historikerstreit ins Haus stehen kann. Kein Wunder, denn seit de zwanziger Jahren haben die mit diesem Thema befaßten Historiker und allen voran de polnische Direktor des Nationalmuseums in Stettin, Wladislaw Filipowiak, festgelegt, da die östlich der Oder gelegene Stadt Wollin der Ort der großen und ausschließlich de Slawen zugeschriebenen Stadt Vineta gewesen sei. Ungeachtet der dort gemachten zahlreiche Funde aus dem 10. und 11. Jahrhundert lasse die Quellenlage bei genauerer Untersuchun diesen Schluß nicht zu, konstatiert Goldmann. Dies gelte auch für die andere angeblichen Vineta-Lokalisierungen vor der Insel Usedom und im Greifswalder Bodden.

Daß sowohl Goldmann als auch Wermusch überdies in Fachkreisen nicht immer in höchster Gunst stehen, liegt in der Natur anderer Forschungsarbeiten zur Suche nac Spuren von Gemälden, Schätzen und Kunstgegenständen, die in den Kriegs- un Nachkriegswirren aus Deutschland verschwanden. Vor allem Goldmann hatte jahrelang darau bestanden, daß der "Schatz des Priamos" in Moskauer Museumsmagazinen verborge liege, und war daraufhin verlacht worden. Aber 1994 gab Rußland dann zu, daß der Schat im Puschkin-Museum in Moskau lagere.

Genau wie Wermusch ist der Archäologe Goldmann Forscher aus Passion. So ist es kei Wunder, daß die Vineta-Suche ungeachtet des Umstandes, daß sie in Historikerkreisen als abgeschlossen gilt, auf den Plan kam, um "Licht in das Geheimnis der Sagenwelt zu bringen." Die sagt nämlich, das Atlantis der Ostsee sei die größte Stadt Europa gewesen, größer als Konstantinopel, und dazu schön, mächtig und wohlhabend. Luxuriö wird Vineta beschrieben: die Glocken der Stadt seien aus Silber gewesen und die Kinde hätten mit Silbertalern auf der Straße gespielt. Von der Gottlosigkeit der Bürger is dann die Rede, so daß die Strafe des Himmels schlußendlich über sie gekommen sei Angriff, Plünderung und Zerstörung. Der Rest sei schließlich in einer Sturmflu untergegangen.

Die Autoren halten es in ihrem Buch mit einem Ausspruch der Gebrüder Grimm: "Da Märchen ist poetischer, die Sage historischer." Und in der Tat: Es gibt diese historischen Hintergrund anhand weniger, aber umso aufschlußreicherer Dokumente. Si reichen in das 11. und 12. Jahrhundert zurück. Danach gab es allerdings in den Annale keine weiteren Vermerke, der Mythos um die versunkene Stadt konnte beginnen.

Der zweifellos wichtigste Chronist, der von Vineta berichtet, ist der au Oberdeutschland stammende und als der erste Geograph Deutschlands bekannt gewordene Ada von Bremen. Er beschrieb in seiner um 1075 entstandenen Arbeit über den Kirchsprenge Hamburg sehr genau die Lage von Vineta, nennt aber die Stadt auf Grund der ihm vo Dänenkönig Sven Estridsen gegebenen Informationen Juma oder Iumme.

Es lohnt, Adams Ausführungen zu Vineta "in extenso" anzumerken: "Hinte den Liutizen, die auch Wilzen heißen, trifft man auf die Oder, den reichsten Strom de Slawenlandes. Wo sie an ihrer Mündung ins skytische Meer fließt, bietet die seh berühmte Stadt Juma für Barbaren und Griechen im weiten Umkreis einen vielbesuchte Treffpunkt."

Und weiter heißt es: "Weil man sich zum Preise dieser Stadt aller-le Ungewöhnliches und kaum Glaubhaftes erzählt, halte ich es für wünschenswert, einig bemerkenswerte Nachrichten einzuschalten. Es ist wirklich die größte von allen Städten die Europa birgt. In ihr wohnen Slawen und andere Stämme, Griechen und Barbaren. Auch die Fremden aus Sachsen haben gleichermaßen Niederlassungsrecht erhalten, wenn sie auc während ihres Aufenthaltes ihr Christentum nicht öffentlich bekennen dürfen. Die Stad ist angefüllt mit Waren aller Völker des Nordens, nichts Begehrenswertes oder Seltsame fehlt."

Schließlich sagt Adam: "Hier zeigt sich Neptun in dreifacher Gestalt, denn die Insel wird von drei Meeren umspült, eins davon soll tiefgrünen Aussehens sein, da zweite weißlich; das dritte wogt ununterbrochen, wildbewegt von Stürmen. Von diese Stadt aus setzt man in kurzer Ruderfahrt nach der Stadt Demmin in der Peenemündung über wo die Ranen wohnen."

Einleuchtend ist also, daß Vineta um 1075 in voller Blüte gestanden haben muß. Dabe setzen die beiden Autoren auf Grund ihrer gut untermauerten Theorie von einer einstige vierten Odermündung voraus, daß es sich bei Vineta um weit mehr als eine Stadt in herkömmlichen Sinne gehandelt haben muß. Dieses Vineta mit seiner Funktion als groß Zwischenhandelsstation für Waren in alle Himmelsrichtungen muß eine ganze, zunächs germanische und später wendisch-slawisch besiedelte Provinz unmittelbar an der Ostse gewesen sein.

Und die Autoren stützen sich dabei nicht nur auf den Domherrn von Bremen. Ein weitere Zeuge lange vor Adam nannte sich Ibrahim Ibu Jaqub und war als Kaufmann un "Botschafter" des Kalifen Hakam II. von Cordoba (961–976) unter andere auch in Pommern unterwegs. Er berichtet gleichfalls von dem bestaunten Or Vineta, de "zwölf Tore und einen Hafen" habe. Es regiere dort kein König, sonder "die Machthaber unter ihnen sind ihre Ältesten". Weiter schreibt der iberisch Reisende, man befleißige sich dort unter anderem auch des Ackerbaus und der Pferdezuch und sei "darin allen Völkern des Nordens überlegen". Ihre Waren ginge "auf dem Lande und dem Meere zu den Rus und nach Konstantinopel", heißt es.

Sollte es sich angesichts solcher Einzelheiten gar um eine Stadt oder eine Provin moderner Prägung auf dem heutigen Fischland-Darß sowie in und um das Städtchen Bart gehandelt haben? Autor Goldmann: "Ich bin mir auch dessen absolut sicher. Selbs Papiergeld muß es an Hand der Quellen damals bereits in Gestalt von Stoffstreifen, die auf den Gold- und Silberschatz bezogen waren, gegeben haben."

In dem von Adam mit "Juma" bezeichneten Namen der Stadt meinen die Autore vor allem durch die Findigkeit des Etymologen Wermusch gleichfalls einen Schlüssel zu haben. Es handele sich um die veränderte Form des germanischen und mit Bienenzuch zusammenhängenden Wortes Immenau, was gleichzeitig beweise, daß auch nach dem Weggan der Germanen im Rahmen der Völkerwanderung und der anschließenden Inbesitznahme de Region durch Slawen, in diesem Fall Wenden genannt, im Ostseeraum Slawen und Reste de Germanen zusammenlebten und sogar germanische Namen beibehalten wurden.

Gewissermaßen ein Aha-Erlebnis hatten die Autoren bei der Untersuchung des Stadtnamen Barth. Er geht, so fanden sie heraus, auf das pommeranische und dem polnischen verwandt Wort "barc" zurück. "Barc" bedeutet aber zu deutsch nichts andere als Bienenstock.

Auch das Wort Vineta hat nach Ansicht der Autoren einen germanischen Hintergrund "Vin" habe gemeinhin die Bedeutung Weideland, was auch die Rede Adams von eine grünen Meer um Vineta erkläre. Dazu bedurfte es allerdings der hohen Kunst des Deichbau und der Melioration, die ganz offensichtlich vorhanden gewesen sein muß, meint Goldmann.

Der Schlußsatz des Bremer Domherrn ist für die Buchautoren von besonderer Bedeutung Adam spricht von einer "kurzen Ruderfahrt" von Vineta nach Demmin. Das aber se weder von Wollin, noch von Usedom, noch aus dem Greifswalder Bodden möglich. Angesicht der vermuteten vierten, westlichen Odermündung bei einem entsprechenden Verlauf de Stroms mache einzig und allein die Angabe Adams Sinn. Es sei geradezu kurios, daß de erste große deutsche Geograph einerseits von aller Forschung als äußerst gewissenhaf erachtet, in seiner geographischen Darstellung der Ostsee, andererseits "un fälschlicherweise" geradezu als Dilettant angesehen werde.

Etwa 100 Jahre nach Adam berichtet der Geistliche Helmold von Bosau in seine "Slawenchronik" gleichfalls von Vineta, spricht allerdings in der Vergangenhei und sagt, daß die Ruinen noch zu sehen seien. Also muß in der Zeit zwischen 1075 und de Jahr der Niederschrift von Helmolds Chronik (um 1170) Vineta "untergegangen" sein. Glaubt man Helmold, so war es ein "dänischer König mit einer großen Flotte der die Stadt angriff und völlig zerstörte".

Dabei ist es höchstwahrscheinlich zum Durchstechen des um Vineta angelegten kunstvol angelegten Deichsystems gekommen. Autor Goldmann sieht indessen noch eine zusätzlich Version und bezieht sich dabei auf die bei Adam erwähnten "Griechen". Dies "Griechen", also vermutlich griechisch-orthodoxe Christen, machten nac Auffassung Goldmanns etwa die Hälfte der annähernd 30 000 Einwohner Vinetas aus.

"Nach dem großen Schisma des Jahres 1054 wurden die Orthodoxen von den Katholike des Heiligen Römischen Reiches als eine Bedrohung angesehen. Vineta war mit an Sicherhei grenzender Wahrscheinlichkeit ein Opfer im Rahmen der römischen Bemühungen zu Zerschlagung der Orthodoxie", meint der Archäologe Goldmann. Tatsächlich mu Vineta gegen Ende des 12. Jahrhunderts "untergegangen" sein, also just zu jene Zeit, als der hinsichtlich seines Sinns bisher nicht geklärte sogenannte Wendenkreuzzu stattfand.


 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Rabenvater und Habenichts

Kinder werden immer brutaler

Kamba

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv