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Das Spiel heißt: "Der Palast bleibt, er bleibt nicht! - Das Schloß kommt, es kommt nicht!". Es dauert schon viele Jahre, und es geht weiter. Ende August hat das Kulturprojekt "Volkspalast" begonnen, das am 9. November, dem Jahrestag des Mauerfalls, enden soll. Die New Yorker Philharmoniker waren schon da, Theateraufführungen, Sport, Spiel und Tanz findet statt. Jetzt wurde das Haus sogar für Schlauchbootfahrten geflutet.
Die Aktivitäten werden als kulturelle Zwischennutzung angepriesen, doch die Schloß-Gegner hoffen vernehmlich, dem "Palast der Republik" auf diese Weise neues Leben einhauchen und die Schloßrekonstruktion verhindern zu können. Zur Unterstützung werden "Volks-" bzw. "Kulturaktien" verkauft mit Grafiken oder Bildern, die Berliner Maler oder der Regisseur Christoph Schlingensief beigesteuert haben. Auch die Unternehmensberatung McKinsey hat den Ort für sich entdeckt und eine große Betriebsfeier veranstaltet, die sie als Geschenk an die Stadt verstanden wissen wollte.
Dieser Tage macht das Projekt "Fassadenrepublik" von sich reden. Dazu wurde der ausgehöhlte Palast 25 Zentimeter tief unter Wasser gesetzt und mit einer 400 Meter langen "Fassadenstadt" aus Gips möbliert. Auf ihrer Reise zwischen "Parlament" und "Puff-Lagune" werden die Besucher von Stadtführern begleitet. Das Wasser wird farbig illuminiert, das Publikum in den Schlauchbooten darf sich fühlen wie weiland Bayernkönig Ludwig II. in seiner Lohengrin-Grotte. Das ist recht lustig und nicht einmal ohne Geist.
Doch es ist ein genügsamer Geist. Er beherrscht die Stadt bereits seit 1989/90 und ist ständig auf der Suche nach immer neuen, interessanten "Locations" für spannende "Events". In Berlin gibt es eine ganze Reihe von historischen Orten mit morbidem Charme, vor deren Hintergrund sich glamouröse Auftritte um so wirksamer abheben.
Nun ist man auf dem zentralen Platz der Stadt angekommen, der einmal die Mitte des deutschen Staates war. Hier stand das Schloß, auf das die Museumsinsel, das Zeughaus, die Oper, die Universität und der Prachtboulevard Unter den Linden bezogen waren. In diesem Ensemble drückte sich die Idee eines Kulturstaates aus. Doch diese Geschichte spielt bei den Arrangements keine Rolle mehr, es geht höchstens um den Unterhaltungswert, den sie abwirft. Vergleiche mit Christos Reichstagsverhüllung gehen daher fehl. Die Verhüllung war - entgegen allen Befürchtungen - eine Reverenz an das Gebäude, sie rückte mit imposanter Geste die Wucht und die Bedeutung des Baus ins öffentliche Bewußtsein. Hinter der "Fassadenrepublik" im Palast-Gerippe steckt gar nichts mehr außer dem Willen zum Spaß. Allerdings kann sich dieser Vorwurf auch gegen die Schloßbefürworter wenden. Die Schwäche des Konzepts liegt darin, daß man sich es nur noch als ein kommerzielles Unterfangen vorstellen kann. Eine gefällige Kulisse soll entstehen, hinter der sich Hotels, Konferenz- und Büroräume verbergen. Das Bewußtsein eines Staatsvolks, dessen Gemeinwille über die unmittelbare Gegenwart hinausweist, ist zwischen all dem immer schwerer auszumachen.
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