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Als Opfer und Überlebende der größten "ethnischen Säuberung" in der Geschichte der Menschheit haben wir den 1969er Wechsel noch schmerzhaft in Erinnerung. Unter der Maxime "Entspannung" wurden damals unsere Menschenrechte völlig ignoriert und auf dem Altar "Machtpolitik " geopfert. Dabei bedeutet Rechtsstaat "Herrschaft des Rechts". Alle Staatsorgane sind an das Recht gebunden, insbesondere das Völkerrecht wie die Grund- oder Menschenrechte. Wo immer auf der Erde Menschen leben, kommen ihnen bestimmte unveräußerliche Fundamentalrechte zu. Das ist für alle Rechtsstaaten spätestens seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 anerkannt.
Doch immer noch, mehr als 50 Jahre nach Kriegsende, kann von der Herrschaft des Rechts, von Gerechtigkeit und Frieden, keine Rede sein. Im Gegenteil, es zeigt sich, daß Unrecht und Eingriffe in elementare Menschenrechte immer noch praktiziert werden, auch in den "Rechtsstaaten". Doch sie verjähren nicht, solange die Entrechteten um Recht und Gerechtigkeit kämpfen.
Ein Beispiel: In den USA sind "Wiedergutmachungsklagen" gegen Staaten wie Unternehmen in Millionen-, ja Milliardenhöhe, an der Tagesordnung. Der US-Anwalt Ed Fagans begründet sie wie folgt: "Die Industrieunternehmen spielten eine wesentliche Rolle beim Holocaust. Sie bildeten und realisierten mit dem Nazi-Regime eine Verschwörung, um die Holocaust-Opfer bewußt zwangszuverpflichten und auszubeuten und so vom Holocaust zu profitieren." Nach der "Nazigold-Konferenz" 1997 in London fand 1998 in Washington die "Holocaust-Vermögenskonferenz" statt. Wann kommt die "Vertreibungs-Vermögenskonferenz"?
Beflissentlich vergessen wird bei diesen Konferenzen, daß auf allen Seiten Opfer zu beklagen sind, die nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung "schreien" und an das moralische Weltgewissen appellieren. Mehr als 15 Millionen Deutsche flohen aus den Ostprovinzen des Deutschen Reiches und aus den Siedlungsgebieten der Deutschen außerhalb der Reichsgrenzen oder wurden auf äußerst brutale Art und Weise vertrieben, wie die ungeheure Zahl von fast drei Millionen Vertreibungstoten zeigt. Ihren ganzen Besitz Hab und Gut, Haus und Hof mußten sie zurücklassen. Mehr als zwei Millionen deutsche Soldaten und Zivildeportierte mußten in russischen Arbeitslagern Zwangsarbeit verrichten. Die meisten verhungerten, erfroren, wurden von Seuchen dahingerafft oder ermordet. Nur wenige Zehntausende wurden zum Teil erst zehn Jahre nach Kriegsende freigelassen. Es ist kein billiges Aufrechnen von Verbrechen, auch für diese Opfer Entschädigung zu fordern, sondern nur eine Gleichstellung. Denn Mord bleibt Mord, egal an wem, auf welche Art oder unter welchen Regimen auch immer er geschieht.
Nach György Konrad, Präsident der Berliner Akademie der Künste, gibt es kein höheres Interesse, durch das Vertreibungen und Deportationen zu rechtfertigen wären. "Kollektive Bestrafung und Verfolgung von Gemeinschaften, die notwendigerweise die Peinigung von ganzen Familien, Kindern, Frauen und Alten also, nach sich ziehen, können weder politisch noch religiös in irgendeiner Weise legitimiert werden.
Jeder Deportierte, unabhängig von seiner nationalen, ethnischen, religiösen Zugehörigkeit, hat ein Recht auf zumindest moralische Wiedergutmachung."
Dies betonen zu müssen ist angesichts des 50. Jahrestages der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" 1948 durch die Vereinten Nationen eigentlich beschämend für die internationale Staatengemeinschaft. Dies besonders deswegen, weil der Satzung der Vereinten Nationen sowohl die Atlantik-Charta als auch das Nürnberger Statut zugrunde liegen. Den UN wurde die Kompetenz zugesprochen, sich mit der Förderung der Achtung der Menschenrechte zu befassen. Grundrechte gelten für alle Menschen, wie die Formulierungen "Jeder Mensch hat das Recht auf
" und "Niemand darf
" deutlich zu erkennen geben. In Artikel 1 heißt es: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren."
1999 jähren sich zum 50. Male erstens am 12. Mai die Bewilligung des Grundgesetzes durch die Militärgouverneure und zweitens am 23. Mai das Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Das Grundgesetz ist als Provisorium für die Übergangszeit bis zur Wiedervereinigung Deutschlands geschaffen worden. Nach dem Verständnis Konrad Adenauers war die Bundesrepublik Deutschland mit dem Deutschen Reich völkerrechtlich identisch. Hierzu Konrad Adenauer im ersten Band seiner "Erinnerungen": "Die Deutsche Wehrmacht hatte bedingungslos kapituliert. Aber viele, darunter auch ich, waren der Auffassung, daß Deutschland damit nicht aufhörte, als völkerrechtliches Subjekt und Objekt weiterzubestehen. Die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht, die am 7. und 8. Mai 1945 erfolgte, war ein militärischer Akt, durch den der völkerrrechtliche Status Deutschlands nicht ausgelöscht wurde."
Das Haus Bundesrepublik Deutschland wird politisch völlig neu gestaltet, einer ungewissen gesellschaftsverändernden Revision unterzogen. Wie es eines Tages aussehen wird und welche Veränderungen wir verkraften müssen, das ist bisher nur schemenhaft zu erkennen. Was uns Heimatvertriebene betrifft, so hat die neue Bundesregierung die Menschenrechte zum Maßstab ihrer Politik erhoben. Doch geben wir uns keinen Illusionen hin. Die erste Abfuhr haben wir bereits erhalten.
Wir Heimatvertriebene haben offensichtlich keine Rechte, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joseph Fischer es bei ihren Antrittsbesuchen in Warschau klar und unmißverständlich zum Ausdruck brachten. Die Zukunft wird nicht mit Problemen der Vergangenheit belastet. Mit anderen Worten: Den Völkermord durch Vertreibung hat es "politisch" nicht gegeben. Dabei bleibt unverständlich, daß gerade diejenigen, die der "Gleichheit" aller Menschen wie der "Einen Welt" das Wort reden, immer wieder vor der Macht kapitulieren, das unteilbare Recht für teilbar erklären und damit ganze, insbesondere eigene (!), Volksgruppen diskriminieren. Wer "ethnische Säuberungen" als Verbrechen gegen das Völkerrecht wie die Menschenrechte brandmarkt, muß auch die Vertreibung der Deutschen als Völkermord verurteilen und ahnden.
Da wir auf der bundesrepublikanischen politischen Bühne so gut wie keine Fürsprecher für unsere Anliegen haben, müssen wir uns lauter und noch vernehmlicher auf der internationalen Bühne äußern und mehr als bisher "global" nach Verbündeten und Mitstreitern für Recht und Gerechtigkeit suchen. Wir müssen über die Ostdeutschland in aller Welt unsere Vertreibung und damit den Völkermord an mehr als 15 Millionen Deutschen als "Deutsche Schoa" in der Weltöffentlichkeit bewußt machen, die wie "Auschwitz" nach Sühne und Wiedergutmachung schreit.
Die Zeit arbeitet für uns, weil wir stets auf Gewalt und Rache verzichtet und unbeugsam für eine friedliche Zukunft in Europa unter der "Herrschaft des Rechts" gefochten haben. Nehmen wir uns ein Beispiel an den jüdischen "Mitchristen". Sie ruhen nicht und artikulieren über die Jewish Claim Conference ständig das an ihnen begangene Unrecht. Die individuellen Menschenrechte haben nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme sogar wieder an Stellenwert gewonnen. Hierzu haben auch sehr die blutigen Konflikte auf dem Balkan mit Massenflucht wie "ethnischer Säuberung" (Massenaustreibung) beigetragen. Bei allen Friedensverhandlungen steht auf einmal die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge in die Heimat aufgrund des elementaren Rechts auf die angestammte Heimat im Mittelpunkt der internationalen Friedensbemühungen und Konfliktlösungsstrategien.
Das amerikanische Repräsentantenhaus hat am 13. Oktober 1998 eine Resolution verabschiedet, mit der alle Staaten Mittel- und Osteuropas aufgefordert werden, Enteignungen aus der Zeit des Kommunismus und Nationalismus wiedergutzumachen.
Die Vertreibung liegt einzig und allein in der Verantwortung der handelnden Staaten. Das Potsdamer Abkommen hat die Vertreibung keineswegs befohlen, sondern dem Unrecht Völkermord nur tatenlos zugesehen. Selbst die Siegermächte konnten das Völkerrecht, insbesondere die Haager Landkriegsordnung von 1907, nicht außer Kraft setzen, zumal sie feststellten, daß das Deutsche Reich in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 fortbesteht.
Unsere Beharrlichkeit und unser Kampf für die Durchsetzung der Menschenrechte haben exemplarischen Charakter, und zwar weltweit. In einem gemeinsamen Europa wird man die isolierte Diskriminierung der Deutschen nicht durchhalten können, soll der Grundsatz "gleiches Recht für alle" nicht vollends zur leeren Floskel degradiert werden. Wenn Europa keine Rechtsgemeinschaft wird, dann hat es keine friedliche Zukunft. Kämpfen wir also 1999 unbeirrt weiter für Recht und Gerechtigkeit, denn nichts ist verloren, außer man gibt es verloren.
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