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Von Brüssel und Berlin im Stich gelassen

 
     
 
Deutschlands Polizei sieht sich seit der EU-Osterweiterung bei der Bekämpfung des Menschenhandels "zunehmenden Erschwernissen auf europäischer und bundesdeutscher Ebene gegenüber", klagt Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. Im Vergleich zum Vorjahr habe die Zahl der Prostituierten aus den EU-Beitrittsländern um rund 50 Prozent zugenommen, "und das ist meiner Meinung nach erst der Anfang".

Die geltenden Bestimmungen ermöglichen eine Ausübung der Prostitution als "selbständige Erwerbstätigkeit" ohne weitere Erlaubnis. Hinzu kommen Reiseerleichterungen durch die europäische Visumpolitik. Frauen und Zuhälter aus den Staaten Ost- und Mitteleuropas machen davon regen Gebrauch.

Die Berliner Politik macht der Polizei das Leben ebenfalls schwerer. Fast drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 1. Januar 2002 muß festgestellt werden: "Das Gesetz verkehrt den eigentlichen Sinn in das Gegenteil. Es stärkt nicht die Position der zur Prostitution gezwungenen Frauen, sondern die der Zuhälter. Die Möglichkeiten, auch strafrecht
lich gegen sie vorzugehen, wurden stark eingeschränkt. Nach der neuen, auf dem Prostitutionsgesetz beruhenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Nachweis der Ausbeutung der Dirnen für die Polizei nur schwer zu führen. Sie muß dem Tatverdächtigen nachweisen, daß er die Prostituierte gegen ihren Willen in einem persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis hält." Dazu komme die stark verminderte Aussagebereitschaft der Opfer, die aufgrund der Erfahrungen im Herkunftsland vor der Polizei Angst haben.

Die Polizei kämpft, wie Schmidbauer weiter erläutert, weitgehend vergeblich auch gegen die Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 3. März 2004, das den Lauschangriff in Teilbereichen für verfassungswidrig erklärte. Im Polizeijargon heiße das: "Beim Kuß ist Schluß". Sobald das Gespräch zwischen Zuhälter und Prostituierten auf den Kernbereich privater Lebensführung komme, müsse das Abhören beendet werden. Schmidbauer: "Mich erinnert das an den Satz: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß."

Der Polizeipräsident befürchtet, daß die Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts in die Neufassung des Polizeiaufgabengesetzes fließen: "So dürften künftig die Ausbeutung von Prostituierten und die Förderung sexueller Handlungen mit Minderjährigen nicht mehr zu den schwerwiegenden Straftaten zählen."

In München werden seit der Osterweiterung und der Verschiebung der EU-Außengrenzen zunehmend Frauen aus Bulgarien oder der Türkei registriert, die illegal eingeschleust und zur Prostitution gezwungen werden. In anderen deutschen Großstädten verstärken vorrangig Frauen aus der Ukraine und Rußland die Zahl der Prostituierten, "und das mit zunehmender Tendenz". Norbert Matern

 
     
     
 
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