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Zu der Kulturtagung der Landesgruppe Thüringen waren 50 ostdeutsche Landsleute aus fast allen Kreis- und Regionalverbänden Thüringens gekommen. Die Themen der Kulturtagung wurden von allen Anwesenden mit großem Interesse angenommen. Der Vorsitzende der Landesgruppe, Walter Schmunz, begrüßte alle Landsleute und stellte die Referenten dieser Tagung vor. Als erster Referent sprach der Kreisvertreter von Preußisch Holland , Phillip Blandauer, über: ,,Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis der Freundeskreis Ostdeutschland zu Polen".
Über das Thema "Vom Verständnis, zur Verständigung mit unseren Nachbarvölkern" referierte Margarete Ritter. Die Einleitung zu dieser Thematik erfolgte mit dem Gedicht "Am Gartenzaun" von Agnes Miegel. Margarete Ritter machte damit deutlich, daß es zum Dialog keine Alternative gibt. Ausgehend von den bündnispolitischen und wirtschaftlichen Gemeinsamkeiten beider Völker, verwies sie auf die jahrhunderte lange wechselvolle gemeinsame Geschichte der Deutschen und der Polen. Sie mahnte an, vor allem die kulturellen und zivilisatorischen Gemeinsamkeiten, die ethnischen Verflechtungen der Völker zu betrachten und zu reflektieren und die Tragfähigkeit des gemeinsamen christlichen Erbes zu nutzen. Bei der jüngeren Geschichte ging sie insbesondere auf die Folgen des Zweiten Weltkrieges und die ethnischen Säuberungen ein - es traf sowohl Schuldige als auch Unschuldige. Sie stellte die Frage nach der Bedeutung der Schuld für die Menschen heute, für Kinder und Enkel. Kollektive Schuld und kollektive Verantwortung wurden ausgeklammert. Es wurde festgestellt, daß Schuldbekenntnisse für die nachfolgende Generation kein angemessenes Zeichen der Verständigungsbereitschaft sind. Vor der jungen Generation steht nicht die Aufarbeitung der Vergangenheit ihrer Väter, sondern die Gestaltung der eigenen Zukunft. Verbundenheit und Unterstützung der Heimat sind ein bedeutender Faktor für Verständigung. Ab-schießend betonte sie mit Nachdruck, daß das Neue, das sich durch die Europäische Gemeinschaft herausgebildet in den Vordergrund des Dialogs zu stellen sei, denn es gehe um die Zukunft, um ein friedliches Miteinander der Nachbarvölker.
"Schiffe, die über Berge fahren" war ein weiteres Thema der Kulturtagung, über das Alfons Wilke sprach. Daß die Bahn per Schiff übers Wasser fährt, kennt man ja von der Fährschifffahrt. Doch im Oberland in Ostdeutschland geht es auch umgekehrt. Am 104 Kilometer langen Kanal zwischen Elbing und Osterode fahren bereits seit 1860 Schiffe auf Schienen über Land - über sogenannte Rollberge, die die Schiffe auf gegenläufige nBootswagen befahren. Schon im 14. Jahrhundert gruben die Bürger der Stadt Saalfeld einen Kanal zwischen dem Ewingsee und dem Geserichsee und erreichten damit einen Wasserweg nach Deutsch Eylau. Eine Schleuse verhinderte das Ablaufen des Wassers aus dem Ewingsee in den tiefer gelegenen Geserichsee. Die so genannten Landstände der Provinzen Ost- und Westpreußen regten an, einen der Oberländischen Seen mit dem Drausensee und damit mit Elbing zu verbinden. Der Höhenunterschied vom Pinnauersee zum Drausensee beträgt etwa 100 Meter auf dieser verhältnismäßig kurzen Strecke von 9,6 Kilometern. Für diese Entfernung und den Höhenunterschied wären 32 Schleusen erforderlich gewesen. Man wußte, daß es in Nordamerika bereits solche Anlage am Mooriskanal gab. Die Rede ist von den "geneigten Ebenen auch "Rollberge" genannt. Man baute dieses Kanalsystem in Ostdeutschland nach. Der Oberländische Kanal verbindet die Stadt Osterode mit Deutsch Eylau und Elbing. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Kanalvorrichtungen schwer beschädigt. Trotzdem wurde der Kanal wieder hergerichtet und 1946 auf seiner ganzen Länge für den Holztransport schiffbar gemacht. Die Bedeutung des Kanals nahm mit dem Bau des Eisenbahnnetzes ab. Das erste Passagierschiff fuhr von Elbing nach Osterode im Juli 1947. So wurde die Route für den touristischen Verkehr eröffnet. Heute dient er vorwiegend touristischen Zwecken.
Über "Die ländliche Entwi-cklung in ErmIand und Masuren nach 1945" berichtete Dr. Günter Rubach. Unter anderem ging er auf die Leiden der teils verbliebenen teils zurückgekehrten deutschen Bevölkerung unter russischer und polnischer Besatzung ein. Er berichtete von dem Zwang gegen die deutsche Bevölkerung, um diese zur Annahme der polnischen Staatsangehörigkeit zu bringen. Natürlich fehlte nicht die Entwicklung der Landwirtschaft (Enteignung, Bildung von Neubauernwirtschaften und später der Kollektivwirtschaften).
Eine Kulturtagung ohne Agnes Miegel ist unvollständig, und so brachte Gretel-Grit Fischer "Krabbel" - ein Märchen von Agnes Miegel zu Gehör. Die vielseitige Poetin wurde 1879 in Königsberg geboren. Ihre geliebte Heimat mußte auch sie 1945 verlassen, sie kam in ein deutsches Flüchtlingslager in "Öksböl" (Dänemark). Für die vielen Kinder schreibt sie hier das Märchen "Krabbel". Eine Geschichte, wie die Tiere des Waldes bei einem großen Unwetter ihre angestammte Heimat verlieren.
Am Schluß der Kulturtagung der Landesgruppe bedankte sich der Landesvorsitzende Schmunz bei allen Referenten für deren Vorträge. Diese sollen dazu beitragen, die kulturelle und heimatliche Arbeit zu vertiefen. E. Dietel
Der Öberländische Kanal ist eine Touristenattraktion. |
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