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Schlank sein, wer möchte das nicht? Mal im Ernst wer hat nicht schon mal die eine oder andere Diät ausprobiert oder es sich zumindest vorgenommen? Denn schließlich leben wir in einer Welt, in der "Slim Fast", "Natreen" und der regelmäßige Besuch eines Fitneßstudios schon nahezu zum guten Ton gehören.
In ihrem leider mit einem abschreckenden Titelbild versehenen Buch "Dies ist kein Liebeslied" beschreibt Karen Duve das Leben von Anne. Diese berichtet aus der Position des Ich-Erzählers mit einer kräftigen Prise Sarkasmus über ihre Kindheits- und Teenagererlebnisse. Sie erzählt, warum sie ihr mangeln des Selbstwertgefühl immer damit begründete, zu häßlich und zu dick zu sein.
Anfangs ist Anne in der Schule sehr unbeliebt, aber nach einer erfolgreichen Diät geht sie mit vielen Jungen aus ihrer Klasse aus, wenn auch nur, um dazuzugehören. Immer in der Angst, wieder in die Position des Außenseiters zu rutschen, ißt Anne tagelang nichts und trinkt nur Wasser. Ihre Eltern unterstützen das von Selbstzweifeln zermürbte Mädchen nicht, sie haben anscheinend genug mit ihrem eigenen verkorksten Leben zu tun. Annes Vater, der den ganzen Tag nur im Garten liegt und schläft, wenn er nicht gerade seiner geheimnisumwitterten Arbeit nachgeht, scheint extrem unzufrieden mit dem teuren Haus, seinen drei Kindern und den einfachen Familienurlauben in Däne- mark zu sein. Ihre Mutter, die keinen Tag ohne Beruhigungsmittel durchsteht, bezeichnet Anne verachtungsvoll als "rückgratlos". In diesen Menschen Vorbilder zu sehen oder von ihnen Unterstützung zu erwarten, gleicht einem sinnlosen Unterfangen.
So ist Anne ganz auf sich allein gestellt. Obwohl sie in Wirklichkeit an ihrem Leben hängt, unternimmt sie ab und zu fruchtlose Versuche, sich eben dieses zu nehmen, indem sie eine Überdosis Beruhigungstabletten schluckt oder mit dem Küchenmesser an ihren Pulsadern "herumritzt".
Zwischen Selbsthaß und einem gewissen Maß an Zufriedenheit hin- und herschwankend, geht es auch mit Annes Gewicht auf und ab. Wirklich zufrieden mit ihrem Körper ist das Mädchen nur, wenn sie ihre Hüftknochen hervorstehen sieht. Dieses Gefühl der "Genugtuung" über erfolgreiche Diäten ist ihr jedoch nie lange vergönnt, da sie immer wieder in ihr altes Verhaltensmuster des "unkontrollierten Fressens" zurückfällt.
Zwischen 50 und 100 Kilo Körpergewicht schwankend, entgeht ihr jedoch, daß ihr eigentliches Problem nicht ihr Gewicht ist! Anne ist davon überzeugt, für die von ihr bewunderten und begehrten Menschen nicht gut genug zu sein, und so gibt sie sich immer wieder mit Männern und Freundinnen ab, die sie eigentlich nahezu verachtet. Letztendlich ist ihr ganzes Leben von der Angst durchzogen, niemandem wirklich gefallen zu können.
Karen Duves "Dies ist kein Liebeslied" ist ein wirklich gutes Buch, bei dem der Leser zu dem Ergebnis kommt, daß einige der eigenen Makel und Angewohnheiten vielleicht gar nicht so wichtig sind und daß es im wesentlichen nur auf den Menschen ankommt, der den Körper bewohnt, und die schöne Fassade, der perfekte Schein letzten Endes doch eher sekundär sind.
Karen Duve: "Dies ist kein Liebeslied", Eichborn, Berlin 2002, geb., 281 Seiten, 19,90 Euro |
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