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Kein Thema der Hochschulreformdebatte der letzten 40 Jahre hat die Gemüter so erhitzt, das Bild der Hochschulen so nachhaltig geprägt und die Probleme in ihnen so forciert wie die Begriffe Politisierung und Demokratisierung. Gegenstand heftiger Diskussionen im Zuge der bundesweiten Protestbewegungen ab Ende der 60er Jahre war vor allem die Mitwirkung der Studierenden in den Selbstverwaltungsgremien, die unter den Stichworten Gruppenuniversität und Drittelparität behandelt wurde.
Mit der Idee, die Universität zu "demokratisieren", sollte vor allem die sogenannte Herrschaft der Ordinarien abgeschafft und den Vertretern der Gruppen - Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter, Studierende und nichtwissenschaftliches Personal - ein Mitspracherecht bei allen Entscheidungen eingeräumt werden.
Die studentische Protestbewegung hatte sich Ende der 60er Jahre zunächst als außerparlamentarische Opposition (APO) formiert, die sich eher negativ als positiv definierte: als Widerstand gegen jede Art von autoritärer Herrschaft, gegen organisatorische Zwänge und ein repressives Leistungsprinzip.
Demokratisierung der Hochschule wurde verstanden als Selbstbestimmung aller Hochschulmitglieder über ihre Tätigkeit, deren Inhalt, Schwerpunkt und Zielsetzung im Rahmen der kollektiven gesellschaftlichen Aufgaben der Universität. Kernpunkte der hochschulpolitischen Forderungen waren die Abschaffung des Lehrstuhlprinzips, die öffentliche Aus- schreibung der Professuren, die Abschaffung des Habilitation, die Überleitung der Assistenten, Akademischen Räten und Lektoren in "Dozenten neuer Art", die Studienfreiheit und die Garantie autonomer Studienentscheidungen im Hinblick auf Studienziel, Fächerkombination, Prüfungsinhalte und Prüfungsleistungen, die familienunabhängige Ausbildungsförderung, die Öffentlichkeit der Verhandlungen in den Gremien und vor allem die gleichberechtigte Vertretung der Mitgliedergruppen in den Selbstverwaltungsorganen der Universität.
Die noch laufende Diskussion um die Ausgestaltung der Gruppenuniversität wurde im Mai 1973 durch ein - von Hochschullehrern erstrittenes - Urteil des Bundesverfassungsgerichts entscheidend bestimmt. Das Gericht erkannte darin die Gruppenuniversität als zulässige Gestaltungsform an, setzte aber der Mitwirkung der Gruppen zugleich Grenzen. So müßten Professoren beziehungsweise qualifizierte Wissenschaftler in den Senaten und anderen Entscheidungsorganen der Universitäten die Mehrheit der Stimmen haben.
Im Zuge des allmählichen Abflauens der Protestbewegungen endeten auch die Kämpfe um das politische Mandat der verfaßten Studentenschaften. Bis dahin waren allgemeinpolitische Aktivitäten trotz vieler Prozesse, in denen ASten das Recht auf ein politisches Mandat abgesprochen wurde, wesentlicher Bestandteil der Aktivitäten vieler Studentenschaften. Nun aber wurde die verfaßte Studentenschaft gar in einigen Ländern abgeschafft - als Antwort auf ständige Rechtsverletzungen durch die Inanspruchnahme des allgemeinpolitischen Mandats.
Anfang der 80er Jahre wurden erste überwiegend negative Bilanzen nach mehr als zehn Jahren Gruppenuniversität gezogen. Die zur Förderung der wissenschaftlichen Arbeit in Forschung, Lehre und Studium zu treffenden Personal- und Sachentscheidungen seien in der Gruppenuniversität oftmals an die Interessen politisierter Gruppen gebunden worden, die auf Kompetenz gegründete Verantwortung sei gelähmt, das Leistungsniveau in Forschung, Lehre und Studium herabgesetzt und die Effektivität einer immer mehr Zeit und Kraft beanspruchenden Selbstverwaltung beeinträchtigt worden. Dadurch seien die Autonomie der Hochschule geschwächt und zunehmende bürokratische Eingriffe des Staates erforderlich geworden.
Die Gruppenuniversität sei mit ihrem labilen und vielfach gespaltenen Selbstverständnis, ihren inneren und äußeren Belastungen und ihrer verminderten Leistungsfähigkeit in einer desolaten Lage. Daher müsse der durch die Gruppenuniversität gesetzte Rahmen jedenfalls langfristig revidiert werden.
Dennoch ist es falsch, die Existenz der Gruppenuniversität - bei aller berechtigten Kritik im Detail - immer wieder als Kern allen Übels zu beklagen. Auch macht man es sich zu einfach, wenn behauptet wird, daß mit dem "Luxus der Gruppenuniversität" die deutschen Universitäten der institutionalisierten Mittelmäßigkeit geopfert wurden.
Richtig ist aber, daß sich die an die Gruppenuniversität geknüpften Erwartungen nicht erfüllt haben. Doch die Rückkehr zur alleinigen Bestimmung der Geschicke der Hochschulen durch Professoren ist kaum die richtige Antwort. Denn dieses Prinzip hat sich, wie schmerzlich festgestellt werden mußte, nachweislich nicht bewährt. Jedenfalls war es - oder seine Träger - nicht stabil genug, Attacken der späten 60er Jahre zu widerstehen.
Auch kann man nicht auf der einen Seite den Qualitätsverlust an deutschen Hochschulen beklagen, indem auf schematische Überführungen, "Discount-Professoren" und Selbstbedienungspraktiken hingewiesen wird, und auf der anderen Seite die (angeblich oder tatsächlich) Begünstigten zu alleinigen Inhabern von Rechten machen, wie sie früher nur einer kleinen Gruppe von besonders Qualifizierten zugestanden wurden.
Festzuhalten bleibt, daß die Hochschulreformdiskussion der studentischen Protestbewegung zumindest der ersten Jahre durchaus Impulse verdankt. Allerdings hätte man beherzigen müssen, daß Politik nicht als Kampf, sondern nur als Gegenstand der Forschung an die Universität gehört.
Seit Anfang der 90er Jahre ist ein gewisser Trend zur Entpolitisierung der studentischen Interessenvertretungen zu beobachten. Das kann zu der Einschätzung führen, daß der "Spuk" vorbei sei. Dabei kann man sich leicht täuschen. Die Unruhe kann aus einer ganz andren Ecke kommen. In einigen Bundesländern, so in Baden-Württemberg, sind Gesetze in Kraft getreten oder werden vorbereitet, die eine völlige Abkehr von der Gruppenuniversität bedeuten.
Das Heil wird in einem straffen Management mit einem Vorstand an der Spitze der Hochschule gesucht. Nicht nur die Studierenden wären weitgehend von der Mitwirkung ausgeschlossen, auch für die Professoren gilt, daß ihre Rechte eingeschränkt werden. So richtig es ist, mehr wirtschaftliche Grundsätze im Ablauf und Betrieb des Hochschulalltags einzusetzen, so problematisch ist es aber auch, die Träger des Grundrechts von Freiheit der Forschung und Lehre, die Hochschullehrer, von wichtigen Entscheidungen auszuschließen und diese allein einem professionellen Management zu überlassen. Das kann zu einem Aufschrei, vielleicht sogar zu einem Aufstand der Professoren führen.
So zeigt sich, daß es risikoreich ist, von einem Extrem - weitgehende Mitwirkung aller Gruppen - in das andere - weitgehender Ausschluß aller - zu verfallen. Den Schaden haben Forschung und Lehre, weil erneut Auseinandersetzungen Zeit und Kraft in Anspruch nehmen werden. |
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