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Vor Reisen nach Deutschland sei gewarnt

 
     
 
An Bord der SK 0647 von Kopenhagen nach Hamburg: Beim Anflug zur Landung werden die Reisenden vom Kabinenpersonal gewarnt: "Geben sie keinem Deutschen die Hand, wegen der Infektionsgefahr." Ob die Maschinen aus Skandinavien kommen, aus New York oder Chicago, die Fluglinien wissen, was sie der Sicherheit ihrer Passagiere schuldig sind. Sie informieren in Abstimmung mit den Regierungen der Herkunftsstaaten über die Masern-Epidemie in Deutschland.

Es ist ein paradox
es Bild. Während die Gesundheitsministerien in Deutschland sich so verhalten, als seien die Massenerkrankungen mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen reine Privatsache, reagieren die Gesundheitsbehörden anderer Staaten mit Reisewarnungen sehr energisch. Besucher der Fußball-WM in Deutschland sollten sich vor der Abreise auf jeden Fall impfen lassen, warnten französische Behörden. Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation PAHO, eine Sektion der Weltgesundheitsorganisation WHO, ermahnte "alle Einwohner Amerikas" bei WM-Reisen zu besonderer Vorsicht, vor allem zum Impfschutz.

In Amerika sind die Masern inzwischen dank der Impfprogramme äußerst selten, quasi ausgerottet. Jetzt aber spielen sechs der acht Fußball-Mannschaften aus Nord-, Mittel- und Südamerika in den WM-Stadien Gelsenkirchen und Dortmund - mitten im Hauptinfektionsgebiet.

Die Lage dort ist dramatisch genug. Rund 1500 Menschen, vor allem Kinder, sind in den letzten 14 Wochen erkrankt, jeder fünfte Patient mußte ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Zeiten, in denen man Masern als "typische Kinderkrankheit" auf die leichte Schulter genommen hat, sollten eigentlich vorbei sein. Doch Prävention, vor allem Schutzimpfungen, und seuchenhygienische Maßnahmen werden stark vernachlässigt.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), in Rundfunkdiskussionen zur Rede gestellt, verwies immer wieder auf die Zuständigkeit der örtlichen Gesundheitsämter und empfahl, das sogenannte Impfmobil anzufordern. Das ist ein ausgedienter, umgebauter Linienbus, der als mobile Impfpraxis fungiert. Immerhin, ein Bus für 17 Millionen Menschen. Die Handhabe, an Masern erkrankte Kinder vom Schulbesuch fernzuhalten, verschaffte sich der Minister nicht. In den anderen, am Rande mitbetroffenen Bundesländern herrscht die gleiche Passivität. Da etwa an den Wettlauf der Minister um die Rolle als bester Retter des Abendlandes wie jüngst bei der Vogelgrippe zu denken, verbietet sich.

Die politische Führung blieb so untätig, daß "dies ein Fall für den Staatsanwalt" sein müsse, entfuhr es Prof. Heinz-Josef Schmitt, dem Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (RKI). Hinter den Kulissen sorgte die Attacke Schmitts deutlich für Ärger; er habe sich nicht in offizieller Funktion, sondern nur als "Mainzer Professor" geäußert, schob das RKI entschuldigend nach. Einen Tempowechsel in der Politik löste der Krach nicht aus.

Schmitts Position wird von fast allen Kinderärzten und Infektiologen geteilt. Masern gelten heute als gefährliche Infektionskrankheit, in deren Verlauf immer wieder erhebliche Komplikationen auftreten - darunter auch die gefürchtete Masern-Gehirnhautentzündung. Infizierte Säuglinge haben nur eine geringe Chance, mit dem Leben davonzukommen. Bei älteren Kindern sind die Prognosen besser. Bei Masern-Infektionen können Nebenerkrankungen zu bleibenden Schäden führen, in der Lunge, am Gehör oder am Zentralen Nervensystem.

Auch wenn es in einem ganz geringen Umfang zu Impfschäden kommen kann, die medizinischen Fachleute fordern energische Schritte, um die vorherrschende Nachlässigkeit gegenüber dem Impfschutz aufzuheben - am besten per gesetzlicher Impflicht. Komme es jetzt dazu, so meint Jan Leidel vom Kölner Gesundheitsamt, dann hätte die Masernepidemie wenigstens indirekt etwas Gutes bewirkt.

Auf welche Hilfe aus der Politik er und seine Kollegen bauen können, bleibt offen. Die Prognose sieht düster aus. Obwohl sich alle Mitgliedsländer der Weltgesundheitsorganisation dem Ziel verpflichtet haben, die Masernviren bis 2010 weltweit auszurotten, sieht die Praxis völlig anders aus. Gestützt auf Zahlen aus dem Jahr 2002 beklagen Fachleute, daß nur jedes dritte Kind in Nordrhein-Westfalen ausreichend geschützt ist. Die schlechte Folge: In Deutschland kursieren die Masernviren ständig. Eine Epidemie wie jetzt in Nordrhein-Westfalen kann jederzeit erneut ausbrechen.

Vorsorgeimpfung: Immer weniger Eltern lassen ihre Kinder gegen Masern impfen und gehen so ein Gesundheitsrisiko ein.
 
     
     
 
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