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Das Kind ist vor geistiger und körperlicher Überanstrengung ... zu bewahren ... Die Ernährungs- und -lebensweise desselben muß eine geregelte und gesundheitsgemäße sein ... Die wichtigsten Sprechregeln sind folgende: a) Ich soll langsam und ruhig sprechen. b) Ich darf nicht zu laut und nicht zu leise sprechen. c) Ich muß wissen, was ich sagen will. d) Ich muß vor dem Sprechsatze kurz und tief Atem holen. e) Ich muß beim Sprechen eine gute Körperhaltung einnehmen."
Diese auch heute noch zeitgemäßen Regeln fand die Buchautorin Margund Hinz in der Lehrerzeitung für Ost- und Westpreußen des Jahres 1913. Sie stehen in einer schulamtlichen Anweisung zur Behandlung stotternder Kinder. Stottern gehört zu den Sprachstörungen und Stimmerkrankung en, mit denen sich verschiedene Fachärzte, Fachlehrer, Logopäden und Psychologen, heute unter dem Begriff Sprachheilwesen zusammengefaßt, beschäftigen. Der Entwicklung des Sprachheilwesens in Ostdeutschland hat die hauptberufliche Sonderschullehrerin anhand von Dokumenten, die sie unter anderem im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz fand, in einer Monographie nachgezeichnet.
Bereits 1867 entwickelt sich in Königsberg ein abgestuftes Schulsystem aus achtklassigen Volksschulen, Mittelschulen und höheren Schulen mit Schulgartenarbeit, Werkunterricht und zwei Fremdsprachen. Im Zuge der Reformen der preußischen Volksschule wurden ab 1885 Hilfsschulen gegründet. Eine Taubstummenanstalt ist bereits 1817 errichtet worden. 1920 wurden in Königsberg vier Schulkindergärten für die vom Alkter her schulpflichtigen, jedoch noch nicht schulreifen Kinder eröffnet. Bereits ein Jahr zuvor waren die ersten drei hauptamtlichen Schulärzte angestellt worden. Schulische Sprachheilarbeit in Ostdeutschland ist seit 1889/90 in Form von vier- bis siebenmonatigen Sprachheilkursen belegt. Während die Stadt Berlin erst ab 1901 Heilkurse für stotternde Schüler einrichtet, ergreifen die Behörden in Königsberg schon 1894 Maßnahmen zur Sicherung eines dauerhaften Erfolges der praktizierten Heilkursarbeit. Die umfassenden ärztlichen Schuluntersuchungen Kafemanns und anderer bedeutender Mediziner der Albertina förderten die Schulgesundheitspflege.
Allgemeinverständlich informiert Margund Hinz auch über die Entwicklung des Schulwesens und die Entfaltung der Sprachheilarbeit in Tilsit, Allenstein, Insterburg, Rößel, Rastenburg, Lyck, Elbing und Schloß Worienen. Die ostdeutschen Mediziner und Pädagogen standen in regem Austausch mit Forschungszentren wie Berlin, Halle/Saale und Jena.
Die junge Autorin sieht in dieser Arbeit "Anknüpfungspunkte für weitere historische Untersuchungen, unter anderem zu den pädagogischen Verdiensten von Paul Rogge, die Impulse für die gegenwärtige Sprachheilarbeit geben können". D. H.
Margund Hinz: "Die Geschichte des Sprachheilwesens in Ostdeutschland, Von den Anfängen bis 1945", Frieling-Verlag, Berlin 2005. 159 Seiten, 8,80 Euro
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