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Gerhard Schröder will in Berlin kein "Zentrum gegen Vertreibungen", wie es der Bund der Vertriebenen anstrebt. Das gab der Kanzler vergangene Woche öffentlich und ohne Umschweife zu verstehen. Er fürchte, eine solche Gedenkstätte in der deutschen Hauptstadt würde den Blickwinkel allzusehr auf deutsches Leid richten, und empfehle, dem polnischen Vorschlag zu folgen. Aus Warschau kam die Gegenidee, ein solches Zentrum lieber in Breslau oder Görlitz aufzubauen. Die Überlebende n der Vertreibung mochten daraus lesen: es dort vor allzugroßer Öffentlichkeit zu verstecken, wenn es denn schon nicht mehr zu verhindern ist.
Schröder wirft den Vertriebenen vor, sie wollten das Erinnern "nationalisieren", statt den "europäischen Weg gemeinsamen Gedenkens" zu gehen. Der Vorwurf ist so falsch wie ungeheuerlich. Er stellt die Tatsachen auf den Kopf: In dem Konzept von BdV-Präsidentin Erika Steinbach sind die überlebenden Opfer der Vertreibung längst an den Rand des ihnen Zumutbaren gegangen. Darum heißt es "gegen Vertreibungen" - die Mehrzahl ist entscheidend, es geht also nicht allein um Deutsche. Dabei stellte sich manchen bereits die Frage des Warum: Alle Nationen haben wie selbstverständlich ihre ausgeprägt nationalen Opfer-Gedenkstätten. Niemand sieht darin etwas Anstößiges, gar etwas Versöhnungsfeindliches. Die deutschen Vertriebenen waren bereit, darauf zu verzichten.
Schröder geht es in Wahrheit darum, deutsche Opfer nicht wirklich als Opfer zu präsentieren. Wenn er die historischen Ursachen des gesamten in Rede stehenden Unheils des 20. Jahrhunderts (und ergo die gesamte Schuld daran) auf die deutsche Seite schiebt, will er die deutschen Opfer als Kollektivschuldige dargestellt wissen, denen dann zwar auch etwas Schreckliches widerfuhr, aber ... In jenem Aber entfaltet sich dann jene eiskalte Schuldkalkuliererei, jenes zynische Gegenrechnen, das aus Opfern mindestens schuldhafte Täterkomplizen macht, wenn nicht sogar selbst Täter - durch ihre Geburt und Nationalität.
Manchem mag vergangene Woche, als Schröder seine schroffe Zurückweisung der deutschen Opfer öffentlich machte, eine leise Hoffnung zerplatzt sein. "Unverkrampfter" wollte der neue Kanzler mit Deutschland und der Nation umgehen, versprach er 1998. Das war eine Seifenblase, wie so vieles aus seinem Munde. Seine "Unverkrampftheit" erwies sich als das plumpe Ansinnen, nur ja keine Konflikte anzugehen, um möglichst lang an der Macht zu bleiben. Sie war der Ausdruck eines kaum erträglichen Opportunismus.
Als Schröder vor ziemlich genau einem Jahr mit großem Auftritt sein Nein zu Bushs Irak-Krieg verkündete, warnte man bereits an eben dieser Stelle: Mag sein Nein wohl richtig sein, Schröders Motive sind es nicht. Es ging ihm bloß um sich, um die Wahl. Die ihn und viele seiner politischen Weg- und Altersgefährten kennzeichnende tiefe Abneigung gegen Deutschland an sich blieb und bleibt konstant.
Schröders Außenamtschef Joschka Fischer wurde sehr deutlich: Auschwitz sei der Gründungsmythos des heutigen Deutschland, sagte er einmal, als er schon Minister war. Aus diesem Blickwinkel kann es für Volk und Staat der Deutschen nur eine historisch-moralische Bestimmung geben: Beides gehört am Ende abgeschafft. Doch wer eine Nation abschaffen will, der muß zunächst ihre nationale Erinnerung auslöschen. Sie ist ihre Wurzel. |
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