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Weihnachten auf See

 
     
 
Kapitän Hartmut Hansen lächelte still, als er gestand: "Da habe ich mal was richtig gemacht." Der 49jährige Hüne, dessen herzhaftes Lachen schon viele aus einem Tief herausgeholt hat, schmunzelte: "Meine Entscheidung, bei einer anderen Reederei anzuheuern und ein Kommando zu bekommen, bei dem ich immer mal wieder in einem deutschen Hafen vor Anker gehen kann, war richtig. Gerade zu Weihnachten, da kommen schon sentimentale Gefühle hoch. Weihnachten in der Südsee
, bei Sturm oder bei unerträglicher Hitze, nee, das ist nichts mehr für mich. Und nicht jeder Reeder ist so fürsorglich und sorgt dafür, daß an Bord Weih-nachtsstimmung aufkommt, geschweige denn ein Tannenbaum aufgestellt werden kann." Hansen denkt dabei an die Hapag-Lloyd AG, die ihre Handelsflotte zu Weihnachten mit Christbäumen versorgt - eine logistische Meisterleistung. Jedes Schiff, das ab Oktober zum letzten Mal in Hamburg festmacht, wird mit Tannenbäumen ausgestattet - im Topf, damit sie durchhalten bis zum Fest.

Auch die Schiffe, die Europa nie anlaufen, erhalten "ihren Baum" - per Transfer durch andere Schiffe der Reederei, die ihren Weg kreuzen. Falls das alles nicht klappt, ist der Kapitän angehalten, Bäume in Amerika oder Kanada zu organisieren.

Man sieht: Weihnachten auf See wird durchaus ernst genommen. Eine Ausstellung auf dem Hamburger Großsegler "Rickmer Rick-mers", der seit 1983 am Fiete-Schmidt-Anleger nahe den Landungsbrücken vor Anker liegt, zeigt, wie Seeleute einst und jetzt das "Fest der Feste" feiern. Sie müssen meist nicht nur nicht auf den Tannenbaum verzichten, auch ein Festmenü hat der Smutje vorbereitet. Wie das 1918 auf der "USS Pittsburgh" aussah, kann man einer Speisekarte entnehmen, die gezeigt wird. Eine Vorspeise mit Gurken und Oliven, Kalbskotlett mit Erbsen, Truthahnbraten, Obst und Nüsse - diese Speisenfolge hört sich geradezu luxuriös an. Gekrönt wird alles mit einem Kaffee und Zigaretten.

Nicht immer aber wurden die Seeleute zu Weihnachten verwöhnt. Es gab auch Zeiten, wo sie sich selbst etwas einfallen lassen mußten, um den Tag festlich zu gestalten. Da kam es schon mal vor, daß ein Besenstiel zum Weih-nachtsbaum umfunktioniert wurde. Das jedenfalls erzählt Kapitän Kurt Gerdau in seiner Geschichte "Der wundersame Weihnachtsbaum", die auf Viermastbark "Hebe" spielt und in dem Erzählband "Weihnachten auf See" (Husum Verlag) erschienen ist. Den Besenstielbaum kann man denn auch auf der Ausstellung bestaunen.

Verglichen mit heutiger Zeit, die dem Seemann so allerlei Komfort bietet, war das Leben an Bord früher kein Zuckerschlecken, zumindest nicht für die niederen Ränge. Ein Gefühl für das Leben an Bord eines Großseglers erhält man, wenn man auf der "Rickmer Rickmers" die Gelegenheit wahrnimmt und sich neben der Sonderschau auch die ständige Ausstellung über das 1896 als Vollschiff in Bremerhaven vom Stapel gelaufene Museumsschiff ansieht. In kleinen Kammern drängen sich sechs Kojen, die nicht sehr geräumig anmuten. Dem Funker war eine eigene Kammer vergönnt; seine Koje grenzte direkt an die Funkanlage, so daß er jederzeit erreichbar war. Auch der Smutje war nicht gerade zu beneiden, war doch seine Kombüse ebenfalls nicht groß. Die Krankenstation mit ihren altertümlichen Geräten (allein der Bohrer läßt alle Zahnschmerzen vergessen) lädt auch nicht zum freiwilligen Verweilen ein. Schmucker geht s da in der Kapitänskajüte zu. Edles dunkles Holz, bequeme Sessel und eine behagliche Schlafgelegenheit sprechen Bände. Unendlich viel Zeit, Geld und Arbeit haben die Mitglieder des Vereins "Windjammer für Hamburg e. V." investieren müssen, um das 97 Meter lange und 12,20 Meter breite Schiff wieder auf Vordermann zu bringen, hatte es doch mehr als 20 Jahre als Depotschiff unter dem Namen "Santo Andre" in einem portugiesischen Hafen vor sich hingegammelt. Als Museumsschiff "Rickmer Rickmers" aber ist wieder viel vom alten Charme des Seglers zu spüren, nicht nur zu Weihnachten.

Die Sonderausstellung "Weih-nachten auf See" ist auf dem Museumsschiff "Rickmer Rickmers", Fiete-Schmidt-Anleger bei den St. Pauli Landungsbrücken, Hamburg, täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen, Eintritt 3 / 2,50 Euro, Kinder 2 Euro, bis 14. Januar 2007.
 
     
     
 
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