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Anfang des Jahres 2004 hat zunächst die SPD, danach die Bundesregierung er-klärt, daß die Absicht bestehe, eine bestimmte Anzahl von „Spitzen-Universitäten“ auszumachen und sie besonders zu fördern. Zunächst war von einer, dann von fünf oder zehn die Rede.
Bund und Länder haben sich inzwischen dahin geeinigt, daß 30 sogenannte Spitzenforschungszentren und neben den bestehenden Graduiertenkollegs 40 weitere eingerichtet werden. Bis zu zehn auf diesen Gebieten besonders erfolgreiche Universitäten sollen darüber hinaus gefördert werden, indem sie zusätzliche Mittel erhalten. In dem Zusammenhang spricht man von Spitzen- beziehungsweise Eliteuniversitäten. So sollen auch international erkennbare „Leuchttürme“ der Wissenschaft entstehen. Beworben haben sich 27 Universitäten aus zehn Bundesländern. Jetzt ist eine Vorentscheidung gefallen: Zehn Universitäten, davon vier aus Baden-Württemberg, drei aus Bayern und je eine aus Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen kommen in die Endrunde der Beurteilung. Aus sechs Ländern hatte sich erst gar keine Universität beworben; fünf weitere gehen leer aus.
Wie aber sind Spitzen- oder Eliteuniversitäten auszumachen?
Bei einer Entscheidung, welches sogenannte Spitzenuniversitäten sind, gehören zum Kreis der als Ganzes zu fördernden Einrichtungen die Universitäten, die eine größere Zahl exzellenter fachlicher Bereiche aufzuweisen haben. Naturgemäß werden das große Universitäten mit einem breiten Fächerspektrum sein. Sicher wird niemand behaupten, an Universitäten, die mehrere hervorragende Fakultäten aufweisen oder in der Einschätzung von außen besonders gut wegkommen, seien alle Fächer erstklassig besetzt. Ebenso darf nicht übersehen werden, daß außer den ausgewählten Universitäten es auch andere gibt, an denen ebenfalls Hervorragendes geleistet wird.
Deutschland wird nicht auf einen Schlag weltweit anerkannte „Spitzenuniversitäten“ bekommen, die in einem Atemzug mit den renommierten US-amerikanischen Eliteeinrichtungen genannt werden, unabhängig von dem zweifelsfrei vorhandenen Renommee einzelner Einrichtungen und Fächer. Es gäbe allerdings, wenn die Pläne verwirklicht werden, einige Institutionen, die wegen anerkannter Leistungen und ihres Ansehens eine besondere Förderung durch Bund und Länder erfahren. Eine große Zahl von Einrichtungen, die ebenfalls gute Leistungen aufzuweisen haben, wäre nicht dabei. Diese wäre dem „Rest“ zuzurechen, zu dem auch diejenigen gehören, die sich nicht dem Wettbewerb gestellt haben oder nicht zum Zuge kommen, ebenso wie die Fachhochschulen. Von den insgesamt fast zwei Millionen Studenten sind 1,37 Millionen an den Universitäten und 563000 an den Fachhochschulen eingeschrieben. (Die restlichen entfallen auf die Kunst- und Musikhochschulen und die Theologischen Hochschulen.)
Die Tatsache, daß die Fachhochschulen sich selbst „universities of applied sciences“ nennen, daß es möglicherweise bald eine be-stimmte Zahl von „Elite-Universitäten“ gibt mit der Folge von Universitäten erster und zweiter Klasse und daß die Fachhochschulen nicht gerne die Nummer 3 in der Reihenfolge sein möchten spricht in Verbindung mit der nachgiebigen Haltung der Politik gegenüber Bestrebungen der Fachhochschulen nach Angleichung an die Universitäten für eine weitere Vermischung mit den Universitäten.
Wir werden insoweit amerikanische Verhältnisse bekommen, als alles, was zum tertiären Bildungsbereich gehört, Universität genannt wird. Innerhalb dieses „Restes“ werden allerdings einzelne Institutionen ein besonderes Profil haben. Das werden Fakultäten oder Fächer sein, die qualitativ herausragen, ohne zu den zehn Spitzenuniversitäten zu zählen. Das zeigt, daß es viel sinnvoller wäre, nicht danach zu fragen, welche Universitäten „Spitze“ sind, sondern wo welche Fächer besonders hervorstechen. Damit hätten auch kleinere Einrichtungen eine Chance, besser wahrgenommen zu werden.
Je mehr es zur Angleichung von Fachhochschulen und Universitäten kommt, desto deutlicher werden sich klassische, bekannte Universitäten absondern. Die eher durch Zuruf als aufgrund sachlicher Erwägungen zustande gekommene Zahl 10 ist zufällig und kann nicht wie ein Fallbeil wirken. Im Ergebnis werden es zwischen 20 und 30 Einrichtungen sein, die von der Größe, ihrer historischen Bedeutung, dem Ansehen und der Qualität ihrer Leistungen zu diesem Kreis gerechnet werden. In erster Linie wird man dort die klassischen Universitäten finden.
Vor der Expansion des tertiären Bereichs, um das Jahr 1960, gab es rund zwei Dutzend Universitäten. Hinzu kamen die Technischen Hochschulen und Spezialhochschulen mit Universitätsrang. Später wurden die Fachhochschulen gegründet mit dem Auftrag, eine berufsbezogene Ausbildung anzubieten. Zur selben Zeit startete man ein beachtliches Ausbauprogramm durch Ausweitung der bestehenden Universitäten und Neugründungen. Zwar hilft es grundsätzlich wenig, in eine Diskussion über „hätte“ und „wäre“ einzutreten; dennoch kann es für die Zukunft nützlich sein, sich die Alternativen früherer Entscheidungen vor Augen zu führen. Das wären ein behutsamer Ausbau der Universitäten und eine deutlich stärkere Expansion des Fachhochschulbereichs gewesen. Dann hätte man heute einen breiten Bereich des tertiären Sektors, der durch anwendungsbezogene Lehre auf berufliche Tätigkeiten vorbereitet, und einen quantitativ geringeren, der eine universitäre Ausbildung vorsieht. Die finanziellen Mittel des Staates wären effektiver eingesetzt. Das alles ist Vergangenheit; damals wurden Chancen verspielt. Wenn die Entwicklung so verläuft, wie geschildert, führt das exakt zu dem, was man längst hätte haben können: Viele Einrichtungen des tertiären Bereichs, die in erster Linie eine Ausbildungsfunktion haben und eine kleinere Anzahl von Institutionen, denen das Etikett „Universität“ im klassischen Sinn zusteht. Umwege sind meistens teuer und kosten Zeit. In diesem Fall schon 40 Jahre.
Bei der deutschen Debatte um Elite-Universitäten wird viel in die USA geschielt: Harvard |
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